4.5.13

komm nach hause

irgendwann, im lauf des lebens, verliert man sich. vielleicht ist man zu schnell gelaufen, oder es waren hindernisse zu überwinden, die einfach zu hoch waren. hat man es dennoch geschafft, freut man sich nicht darüber und geht einfach weiter, sondern man blickt wie gelähmt und todmüde das hindernis an, das ja schon eigentlich hinter einem liegt, oder man blickt die strasse hinunter, über die man gerade eben erst gekommen ist. man setzt sich nieder und blickt stumm vor sich hin, und ganz plötzlich beginnt es. das licht beginnt sich zurückzuziehen. es wird weniger. es wird dunkler in dir. und ein seufzer enststeht in deiner brust, den du nicht kanntest. solche seufzer können jahrelang in deiner brust existieren und es kann gut sein, dass sie immer grösser und schwerer werden. dann sollte man gut auf sich aufpassen, denn dann ist man in gefahr.

ich bin gerade an diesem punkt angekommen: ich sitze auf einer endlosen strasse und habe keine ahnung, warum ich sie entlanggelaufen bin, und noch dazu in diesem höllentempo. ich bin anscheinend vor etwas davongelaufen, doch so sehr ich mich auch anstrenge, ich sehe den verfolger nicht. ich sehe überhaupt nicht mehr viel. vor allem keine zukunft. ich sehe nur ein kleines schimmern von gold, wie eine winzige kerze, in der dunkelheit. dieses schimmern stammt aus meiner vergangenheit und ich glaube, es war einmal sehr stark. ein leuchten, als ich kind war. jetzt ist kaum mehr etwas davon übrig. aber es reicht aus, dass ich diesen seufzer, der sich in meiner brust gebildet hat, immer wieder zurückdrängen kann. dieses schimmern reicht aus, so wenig es auch ist.
und ich sehe noch etwas. so, als würde ich durch ein umgekehrtes fernrohr schauen, alles ist so klein und so extrem weit weg. ich kann sehen, wie ich damals die welt wahrgenommen habe. und ich fühle, dass ich sie einmal sehr geliebt habe. ich fühle plötzlich heimweh. ich würde gern dorthin zurückgehen, aber ob es möglich ist, weiss ich nicht. es sind viele jahre vergangen.

aber vielleicht sollten wir  dorthingehen, wo dieses goldene schimmern schon auf uns wartet. es ist wie eine kerze, die man einmal auf das fensterbrett gestellt hat, damit sie uns den weg nach hause weist. wenn auch sonst nichts mehr da ist. die kerze wird leuchten. sie sagt: komm nach hause.