27.8.14

frische luft aus dem fenster, das zur see geht und das über nacht offensteht


manchmal kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, dass ich früher so viel taggeträumt habe. vielleicht bin ich gerade zufriedener als früher, vielleicht kommt es mit dem alter, dass man weniger träumt und dass eine gewisse form der verzweiflung langsam verschwindet und einer vagen aber fühlbaren zufriedenheit platz macht. wer weiss, warum es so ist. tatsache ist aber, dass ich meine träumereien vermisse.



das winzige häuschen an der küste, das blueberry hollow heisst. es war plötzlich da, als ich es am dringendsten brauchte, und jetzt droht es wieder zu verschwinden, in einer art nebel, aus dem es damals auch aufgetaucht ist. ein haus an der küste des meeres, in dem man sicher ist, so sicher, wie es nur geht. ein haus, in dem man bücher schreiben kann, kurzgeschichten und kinderbücher, gedichte und tagebücher, lange briefe. ein haus, in dem noch alles funktioniert, vor allem die kreativität. man schläft ein und hört das meer rauschen. man kuschelt sich in eine weisse fluffige decke und hat vielleicht noch einen quilt über die decke gebreitet, damit man nicht friert, weil man auch an den frühen herbsttagen das fenster geöffnet hat, um die frische seeluft hereinzulassen. der quilt ist sicher mit blau und grüntönen, es ist auch eine art frostiges wintermorgenrosa dabei, eine wunderbare decke. hm. ich hab sie gerade gesehen, vor meinem geistigen auge sozusagen. vielleicht kann ich ja noch tagträumen.. jedenfalls, dieser wunderbare quilt wird dafür sorgen, dass man des nachts nicht umkommt vor eiseskälte, denn die herbstnächte an der see sind ja ziemlich frostig. aha! ich sehe gerade, dass gegenüber vom bett, an der wand, ein kasten steht, in dem noch mehr von diesen decken liegen, lauter quilts und diese decken sind in naturfarben gearbeitet. ich habe mich gerade mit dem winterquilt zugedeckt. also besitze ich vier decken, für jede jahreszeit eine. und in den farben, die für diese jahreszeiten stehen. wie ein jahreskreis, der einen warmhält.

solche dinge gibt es nur in blueberry hollow. früher dachte ich, dass blueberry das leben, das ich führe, auf positive weise beeinflussen könnte. dass es mir kraft gibt, die träume in die wirklichkeit zu holen, zumindest einige davon. oder dass ich zumindest noch fähig bin, mit einem lächeln durch den tag zu gehen. das alles scheint sich gerade zu verflüchtigen wie ein feiner nebel und darunter liegt etwas, das mir nicht gefällt. jemand, der ich nicht sein möchte. kein jemand, der unter einem feinen winterquilt dem neuen tag entgegenträumt. jemand der sich hin und herwirft und nicht schlafen kann, weil er alpträume hat. ein getrübter kristall, der zwar hell leuchtet, in dessen innerem aber eine art blutrotes netzwerk wie adern pulsiert. es sieht auf morbide weise schön aus, aber es ist nicht schön es ist verdorben. ich hasse es.


am liebsten würde ich im meer all das gift loswerden. ins meer eintauchen und die augen schliessen. das meer fühlen und so viel sicherheit, wie immer, wenn ich in meinem element, dem wasser, bin.


hinter mir auf der klippe steht ein haus. es ist klein, aber irgendwie sieht es so stark aus. ich glaube, es ist ein guter platz zum leben. man könnte für immer dort einziehen. seltsam, es ist immer noch da. immer noch in feinen nebel gehüllt, aber ich kann bereits die details des hauses erkennen. die patina der fensterläden, die muscheln auf den fensterbänken. die bank vor dem haus. sie ist blau, war mal strahlend blau - ich weiss, zu extrem, das wurde mir schon oft gesagt, aber sie ist verblasst, hat ebenfalls patina gekriegt und sieht jetzt wie eins dieser unfassbar schönen und unfassbar teuren vintage-objekte aus, die es jetzt überall zu kaufen gibt, aber sie ist weiss gott nicht vintage oder shabby chic, sondern sie ist einfach wind und wetter ausgesetzt gewesen und darum sieht sie so aus. genauso wie das ganze haus. ein wind und wetterhäuschen wie es im buche steht. ein knarzender wetterhahn würde hier noch passen. hatten wir noch nicht, aber vielleicht wird's den auch mal geben, wer weiss. vielleicht bekommt blueberry auch mal einen wetterhahn aufgestülpt und unser lieber nordwind wird wieder die hände ringen und seinen eisgrauen bart raufen, denn ein wetterhahn auf dem dach, auf dem er oft gemütlich sitzt .. sowas gab es überhaupt noch nie. wir kennen den nordwind, er neigt zum überdramatisieren, aber so ein wetterhahn ist ja auch ein guter grund dafür.

ja. und jetzt sieht man mal, was blueberry hollow anrichtet. schrecklich, oder? :)  ich denke, ich bleibe im grund ein kind. das ist nicht schlecht, solange man mit dem alltag mithalten kann und nicht untergeht. blueberry hollow ist das haus, in dem mein inneres kind wohnt. ich glaube, diese definition ist die beste. ich kann gar nicht ausziehen, es sei denn ich will das innere kind vor die tür setzen und sagen: dich brauche ich nicht mehr, du bist mir zu vage. und blueberry zu neblig. ein vages kind in einem nebligen haus. was für eine vorstellung. wie ein gespenst in einem spukhaus. nichts gegen spukhäuser und geistergeschichten. wirklich nicht - ich liebe sie. und wir selber sind ja auch nichts weiter als gespenster, die ein ordentliches gewicht tragen müssen, nämlich unsere körper. wir unterscheiden uns eigentlich kaum bis gar nicht von gespenstern... wir sind gespenster! und jeder von uns braucht sein eigenes spukhaus. meins ist blueberry hollow. ich hab mir ein gemütliches spukhäuschen gezaubert, denn ich bin ein gemütliches gespenst. sozusagen.

"es ist übrigens schön, wieder mal richtig zu bloggen", sagte das gespenst und legte seine feder und das tintenfass mit der fluoreszierenden blauen tinte beiseite. es fühlt sich frisch an und lebendig. als würde man das haus durchlüften. wie frische klare luft.


frische luft aus dem fenster, das zur see geht und das über nacht offensteht