19.9.12

das wird jetzt ein wenig weh tun. bitte nicht zusammenzucken.

ich habe mir mit sicherheit nicht gewünscht, einmal diesen satz hören zu müssen. und doch war es gestern so weit. gestern früh am morgen, um genau zu sein. bei der blutabnahme, um noch genauer zu sein. und um jetzt so genau wie es nur möglich ist, zu sein, sage ich nur das eine wort, das all meine qualen in sich zu bündeln vermag: NIERENKOLIK.
 
vorwarnung - es wird eine lange detailreiche geschichte. ich bin nicht so oft wirklich krank. gottseidank. aber wenn ich mal was habe, dann muss ich es genau dokumentieren. und mit photos.

vorgestern mitten in der nacht ging es unvermittelt los, und ich glaube, dass ich gerade geschwindelt habe, denn ich hing eigentlich schon ein paar tage lang praktisch in den seilen. konnte aber noch einigermassen gut funktionieren. am montag habe ich halt zuhause gearbeitet, via internet, geht ja heutzutage ganz gut, und so machte das auch nichts aus. aber mein körper, der schon einige zeit lang gestreikt hatte, erholte sich einfach nicht mehr. vorgestern fand dann der zusammenbruch statt. unvermittelt waren die schmerzen. die waren mit einem mal da, und niemand kann einen auf diese schmerzen vorbereiten. ich meine, man liest einigermassen viel über nierenkoliken, nierensteine, und die damit einhergehenden schmerzen, aber das war einfach zu viel. ich kotzte abwechselnd in einen eimer und googelte alles über nierenschmerzen, und das, was ich da fand, machte mich auch nicht gerade hoffnungsfroh. ich war völlig zerschmettert. denn da kam anscheinend was gewaltiges auf mich zu. war exakt genau so.
hab dann in meinem wahn die eltern angerufen, die gott sei dank noch wach waren. mom wollte mir gleich den notarzt schicken (hätte ich zwar auch können, aber ok, wir waren halt alle von der rolle). dann kam m. heim, der anscheinend gerade wieder mal mit kollegen gefeiert hatte. der wollte sich noch was kochen und sich dann auf's ohr legen. hörte mich kotzen und das klang anscheinend wirklich wild, also überlegte er, ob er gleich die rettung, den notarzt oder das taxi rufen sollte. kochen war irgendwie kein thema mehr. ich kam dann auch mal raus und er sah mein gesicht, das anscheinend -wie die beschreibungen im internet- extrem bleich bis aschgrau war .. der schmerz ist echt zu viel .. und er meinte, dass ich mich anziehen und meine tasche mitnehmen soll. er rief inzwischen seinen chef (!!) an, der anscheinend sehr viel erfahrung mit krankenhäusern hat (warum auch immer .. der ärmste) und die beiden überlegten, wohin m. mich bringen sollte. es gibt bei uns sehr viele krankenhäuser. das normale lkh, dann das ukh, die barmherzigen brüder, etc, usw, usf.. jedenfalls meinte m.'s chef, dass wir ins ukh fahren sollten, denn im ukh gäbe es immer den besten nachtdienst. da wären einfach die meisten ärzte. meinte er.
nunjaähm. ein arzt pro station für sehr viele notfälle. ok, aber dazu komme ich gleich. ich möchte nur erwähnen, dass ich die taxifahrt nicht wirklich geniessen konnte. bei jeder strassenunebenheit kam mein inzwischen doch beträchtlich reduzierter mageninhalt hoch und ich schaffte es kaum, ohne zu kotzen die für mich stundenlange fahrt zu überstehen. die fahrt dauerte vielleicht 10 minuten. das ukh ist gleich in unserer nähe. was sicher auch mit ein grund dafür war, warum wir dorthin gefahren sind.

ich schaffte es irgendwie in das krankenhaus hinein, aber erstmal dort angekommen, konnte ich nicht mehr gehen. m. setzte mich auf einen sessel und suchte einen rollstuhl für mich. was ultimativ das allerletzte ist - normalerweise. ich würde nie im leben zulassen, dass mich einer in nen rollstuhl packt und volle kanone durch das krankenhaus schiebt. ich würde brüllen und mich wehren. beissen. aber ich war so matschig und halb ohnmächtig. also liess ich es zu, dass m. mich irgendwie in die karre verfrachtete und mich durch das ekelhaft neonhell gleissende krankenhaus schob. ich weiss noch, einmal hab ich die augen aufgemacht und mir gewünscht, es sein gelassen zu haben. wir fuhren fullspeed so eine art rampe runter und unten war eine scharfe kurve. wenn man gerade weitergebrettert wäre, wäre man durch ein riesenpanoramafenster gefahren und unten wohl zerschellt. ich sagte nur immer lass mich nicht los, egal was passiert, lass mich nicht los und m. fand das ziemlich cool. dann war der dröge portier dran, der mich mit fragen gelöchert hat, von wegen adresse, hausartzt, versicherung, etc.. und ich fand heraus, dass ich kaum mehr sprechen könnte.ich klang wie einer, der sehr viel getrunken hatte. lallend. mann, ich war im begriff, dort einfach wegzukippen. und der heini fragte und fragte.
als wir die hürde portier passiert hatten, kamen wir langsam dorthin, wo es interessant für mich wurde. der lange gang mit den untersuchungszimmern! wovor sich schon einiges an krankem volk angesammelt hatte. es sah also nicht wirklich so supergut für mich aus. die zeit wurde lang. sehr lang. ich sass auf meinem rollstuhl (ja..mein!! rollstuhl), vornübergekippt, hatte sagenhafte krämpfe und kämpfte ununterbrochen gegen die übelkeit an, die wieder extrem stark geworden war. m. sagte, ich sollte doch einfach auf den boden kotzen, aber ich konnte das nicht, also stand ich auf, ging den gang lang und suchte verzweifelt ein klo oder den ausgang. ich weiss noch, dass es sehr knapp war. hab's dann raus geschafft und mich draussen auf der wiese gewunden wie ein wurm und mich übergeben. alles, was man eben so macht, wenn man nächtens in einer stadt wieder mal nicht schlafen kann und wenn einem grad fad ist. man kotzt sich vor einem krankenhaus in stockdunkler nacht und bei bitterer kälte die seele aus dem leib. ich wurde langsam sauer. denn das war ein krankenhaus, verdammt noch mal, und ich war ein kranker. also warum war ich draussen und hatte diese schmerzen noch immer?? ich hatte mir ja gedacht, man bekäme gleich mal ne nette dosis schmerzmittel, wenn man dort ankommt, aber da hatte ich mich sehr getäuscht. zuerst muss man die formalitäten erledigen, dann stellt man sich brav an und wartet hübsch, bis man an die reihe kommt (schmerzen erträgt man dann bitteschön, egal wie lange und egal wie stark die schmerzen dann sind).
m. hatte genug und rannte die ganze zeit den gang auf und ab, nervte ärzte, das pflegepersonal und sogar den heini von portier (bei dem war er, glaube ich, 3 mal, um sich zu beschweren)..was ihm aber nichts brachte, denn man konnte ihm nur sagen, dass es eben einige notfälle gäbe diese nacht und dass man sich da eben gedulden müsse. nur sah ich anscheinend schon so richtig kaputt aus. ich hatte schon fieber und war komplett schweissnass.
als ich wieder mal draussen war, um mich zu übergeben (war so ca. 4 oder 5 mal), kam m. gerannt, da gerade mein name aufgerufen wurde. gut. nur dort wurde auch erstmal gewartet. ich lag eine viertelstunde auf der bahre, den nervösen m. neben mir, der meine hand hielt und versuchte, mich zu beruhigen, weil mein kreislauf kollabierte und ich einen seltsamen schüttelfrost hatte. sogar meine zähne klapperten. es war schaurig. die leute in weiss gingen an uns vorüber, setzten sich an ihre computer, und es sah so aus, als wären wir gar nicht da... m. ging wieder mal in die luft und legte sich mit einer frau in weiss an. es wurde nicht gerade schön. mir war das ganze inzwischen ziemlich scheissegal. während m. sich von der komischen schwester und einem pfleger die krankenhausregeln und gebräuche erklären liess und sich darüber aufregte, wie unprofessionell hier alles abging, war ich schon soweit, dass ich mir irgendein schmerzmittel, das hier doch sicher irgendwo herumlag, selber in den arm geschossen hätte. ich hätte auch heroin genommen. egal, was. alles, was betäubt. hauptsache, ich bin nicht mehr ich und ich bin nicht mehr da.

irgendwann tauchte eine frau auf, die nach verstand aussah und es war doch tatsächlich eine ärztin, die natürlich sofort mit dem papierkram rüberkam und mich inquisitorisch ausfragte, aber das war ja doch wichtig. allergien und so. man will ja doch die sogenannten kunstfehler und späteren pflegefälle so gut wie es geht vermeiden. ich beantwortete brav ihre fragen und wurde als belohnung auch von ihr untersucht. das volle programm. ekg, blut, urin, einfach alles. wundervoll. doch die schmerzen hatte ich noch immer.
meine venen sind versteckt. was mir bis vor kurzem einfach sowas von scheissegal war, wurde gerade zu einem grossen problem für mich. die ärztin versuchte, eine sogenannte leitung zu legen. die leitung ist deshalb so wichtig, weil man darin ja diese wundervollen schmerzmittel verabreicht bekommt, die einem den (rest)verstand retten werden. man wird also an den tropf gehängt, aber wenn deine venen versteckt liegen, dann gnade dir gott. dann wird herumgestochen, an beiden armen, bis es endlich funktioniert. es tut weh, aber mein gott, wie egal das ist. weh tut eh schon alles. du hängst dann an deinem tropf, möchtest einfach nur schlafen, und wartest (natürlich), bis dir deine station zugewiesen wird. man kann nicht einfach wieder nach hause gehen. hatte ich mir gedacht, aber in manchen dingen bin ich wirklich wie ein kind. mit ner nierenkolik ankommen und dann am selben tag wieder entlassen werden. sicher nicht. ist eh gut so. das labor muss die proben auswerten und das dauert ein paar stunden. ausserdem muss man am nächsten morgen noch völlig nüchtern einige untersuchungen über sich ergehen lassen.
meine eltern waren inzwischen angekommen und lösten m. ab, der am nächsten tag ins büro musste (es war schon halbeins). und ich hing am tropf und wartete auf schmerzfreiheit, die nicht kam, weil man zuerst mal einen beutel mit einem mittel gegen die übelkeit drangehängt hatte. war auch keine schlechte idee. die dauerkotzerei kann einem schon den abend verderben. eine schwester rollte mich dann zu meinem krankenlager auf der beobachtungsstation. ich weiss noch, dass sie mit mir redete wie mit einem kleinkind. was schön war. sie sagte zum beispiel bettchen statt bett. ja. ich war so kaputt. und ich wollte echt nur in mein bettchen und schlafen. aber wer jemals in einem krankenhaussaal schlafen wollte, der weiss, wie so eine nacht dann in wirklichkeit aussieht.

meine eltern gingen dann auch in ihr hotel schlafen. ich verkroch mich in mein bettchen und versuchte, eine ruhige lage zu finden, aber die schmerzen liessen nicht nach. also sass ich vornübergekrümmt da und wartete einfach ab. pyjama wollte ich keinen anziehen und liess die strassenklamotten an. zog nur den bademantel drüber, den mir meine eltern mitgebracht hatten. es war bitter kalt in diesem saal. das fenster war gekippt und der geruch im raum war angenehm. nicht wirklich so übel wie in einem krankenhauszimmer, sondern frisch. nur war es viel zu kalt. die schwestern verwendeten übrigens putzmittel, die aufdringlich nach cocos und vanille rochen, total tropisch. gott sei dank waberten diese (und andere) gerüche dann bald beim fenster raus. irgendwann wirkte dann das schmerzmittel tatsächlich. es war ein langsam wirkendes schmerzmittel, wie mir die schwester erzählte. der hammer. brauchte ich ja - etwas, das langsam wirkt. nun wäre die krönung gewesen, dass es auch noch leicht gewesen wäre. ein langsam wirkendes und ganz leichtes schmerzmittel. aber gott sei dank war es hammerstark und langsam..wirklich sehr langsam..driftete ich in einen nicht üblen zustand. ich konnte ruhig daliegen und musste mich nicht mehr ununterbrochen krümmen. es ist eine wohltat, wenn man lang ausgestreckt am rücken liegen kann. der himmel auf erden. man liegt einfach da und hört den geräuschen zu. man hat eine koninuierliche geräuschkulisse um sich. und man kann nicht schlafen. ich hatte die augen zu und war in einem ruhigen, fast schon zenartigen gemütszustand, aber schlaf wäre natürlich das einzig wahre gewesen. man ist allerdings nicht in einem krankenhaus, um sich auszuruhen. man ist in einem krankenhaus, um repariert zu werden. ausruhen kann man sich zuhause. darum ist ja ein krankenhaus der letzte ort, an den ich mich zurückziehen würde, wenn's mir grad nicht so gut geht. man geht dorthin, wenn man gar keine wahl mehr hat.
die nacht war endlos lang. mir gegenüber lag eine winzige person, die fast in ihrem bett verschwand. und diese person läutete ununterbrochen nach der nachtschwester. sie musste andauernd. und wenn sie nicht musste, dann brauchte sie was. oder hatte eine frage. sie war serbin oder kroatin, keine ahnung, aber sie verstand deutsch nicht wirklich gut, und sie redete wahnwitzig laut. und viel. ich mochte sie, sie war irgendwie kultig. rundherum gestöhn, erbrechen, manchmal flüche, wimmern. gute nacht dann auch.

am frühen morgen dürfte ich eingeschlafen sein, eine, maximal zwei stunden lang. geweckt wurde ich von grellem licht, das wirkte wie ein eimer kaltes wasser. eine ärztin stand an meinem bett. die ärztin vom untersuchungszimmer in der vorigen nacht - ich habe vergessen, sie zu fragen, ob sie geschlafen oder durchgearbeitet hat. irgendwie war ich völlig daneben. ich dachte mir nur noch, dass sie jetzt blau trug, eine art mandarinjacke in blau zu einer weissen hose und dass blau ihr total gut stand. elegant. surreal. sie griff sich meinen arm, meinte das wird jetzt ein wenig weh tun. bitte nicht zusammenzucken (dieser satz wird mich auf ewig verfolgen, egal, wie alt ich werde), stach mir eine fette nadel in die pulsader am handgelenk und liess dort jede menge blut ab. wie in einem horrorfilm. das war dann die sogenannte blutbildkontrolle, ein teil der frühmorgendlichen untersuchungen. um halbsieben uhr. das grelle licht liess man danach einfach an. ich hatte keine ahnung, wie ich es abstellen konnte. um halbacht war arztvisite. anscheinend ist die arztvisite was besonderes, und ich wappnete mich schon für weitere unananehmlichkeiten und schmerzen, aber die ärztin - diesmal eine art ältere eisprinzessin mit weissblondem haar und perfektem makeup - machte keine anstalten, mir weiter wehzutun. sie drückte nur meine hand und dann die rechte niere. was sonderbarerweise nicht weh tat. also die rechte niere meine ich. die hand ohnehin nicht. sie fragte nur, ob dies meine erste nierenkolik wäre. dann meinte sie: eine ultraschallunteruchung noch und nachher dürfen sie wahrscheinlich nach hause gehen. es waren wohlklingende schöne worte, ausgesprochen von dieser schönen erscheinung. ein schöner moment. leider zu kurz. jedenfalls versuchte ich die zeit vor der ultraschalluntersuchung zu nutzen und las einen artikel über h.p. lovecraft in einer zeitung, die ich auf dem tisch neben meinem bett am fenster gefunden hatte. und ich photographierte den ausblick von meinem fenster, sobald es hell genug dafür war. viel sieht man eh nicht. nur eine trauerweide und ganz viel wiese. trotzdem wirklich schön.











ich muste ziemlich lang auf diese letzte untersuchung warten, und als es dann soweit war, musste ich ins erdgeschoss runter, wo ich als erstes gleich mal m. in die arme lief, der beim portier wartete. er ging dann mit zum untersuchungszimmer und wartete mit mir, also war die wartezeit auch nicht so langweilig. gewartet wird dort wirklich viel.:)
die untersuchung wurde von einer oberärztin durchgeführt, einer sehr netten, ruhigen, klugen frau, die mir sympathisch war. angenehme untersuchung. ergab nur nichts.

sie fand weder einen nierenstein noch sonst etwas schlechtes. alles im normalen bereich. eigenartig. vielleicht war es aber nierensteingries und der war schon wieder weg.. da ausgeschieden. meine version der dinge.

mit diesem befund ging es zurück in meine station (zu fuss, denn meinen rollstuhl gab es nicht mehr für mich), m. ging dann arbeiten und ich zur frau eis-ärztin, die mich dann kurze zeit später auch entliess. sie sagte, ich sollte zum urologen schauen, weil blut in meinem urin war. könnte aber auch von den krämpfen gewesen sein. ansonsten wäre alles im grünen bereich. blut im urin.. klingt absolut garstig. nur urin im blut wäre schlimmer. kleiner, dämlicher, unangebrachter scherz. ich hoffe jedenfalls, dass aus dieser blut-im-urin-geschichte nichts ernsteres wird. glaube aber nicht wirklich dran. ansonsten bin ich einigermassen ratlos. hab ich zu wenig getrunken? ich denke, ich hatte einige tage gar kein wasser. nur kaffee. und nur arbeit. arbeit und kaffee. kann es sein, dass der körper dann gar nicht mehr will? die im krankenhaus haben nichts gefunden, was zu einer kolik geführt hat. keine nierensteine, keine entzündung, gar nichts. es war aber eine echte nierenkolik mit allem, was dazugehört.














jedenfalls- kaffee ist sicher nicht verboten, denn frau eis-ärztin hat mir einen automatenkaffee erlaubt, den ich dann zu mir nahm, in der sonne am gangfenster sitzend, noch immer den h.p. lovecraft artikel lesend. mit fetter schwarzer sonnenbrille, dem grungigen strickbademantel in blau über meinen schwarzen klamotten an, mit einem relativ guten gefühl in der magengegend. und völlig schmerzfrei.

tja. am liebsten würde ich mich nur daran erinnern. aber das geht leider nicht. ich hab angst, dass es wieder passiert. ich weiss, dass man solche schmerzen aushalten kann, keine ahnung wie, aber es geht. nur möcht ich jetzt einfach meine ruhe haben. nichts mehr von ärzten hören und sehen.
darum hoffe ich auch so, dass es hier zu ende ist, dass das ganze nicht der anfang von etwas ist, sondern nur ein alarmsignal, dass ich falsch gelebt habe. ich versuche das blöde gefühl zu verdrängen.