29.11.14

der steward


hat der herr noch einen wunsch?


die frage kam eindeutig nicht aus dem mund des stewards, der mir seit 5 minuten stur ins gesicht sah und auch sonst recht unangenehm auf mich wirkte. der satz kam von irgendwoher hinter seiner schulter, doch es war niemand hier, ausser uns beiden. wir waren allein im abteil.


ausserdem - warum braucht ein zug wie dieser einen steward? ein zug, wie er älter und korrodierter nicht sein könnte, ein zug mit zerschlissenen sitzen und lückenhaftem gepäcksnetz, mit einer heizung, die entweder auf tiefkühltemperatur lief oder wie ein backofen glühte - dazwischen gab es nichts. für mich war die backofenvariante vorgesehen, weshalb ich auch mein halstuch entfernt und den obersten knopf meines hemdes geöffnet hatte. der mann, der vor mir stand, sah in seiner makellosen uniform aus wie der steward einer luxus-airline - dunkelblauer stoff mit goldknöpfen, auf der jacke ein emblem, das ich nicht genau einstufen konnte. wie von einem luftwaffenstützpunkt, ich dachte kurz an area 51 und konnte mich eines kurzen lächelns nicht erwehren, das jedoch sofort wieder aus meinem gesicht getilgt wurde, als ich den gesichtsausdruck des mannes sah.

beinah wie der steward einer luxus-airline, wenn sein gesicht nicht gewesen wäre. 
bleich und völlig haarlos - der mann hatte keine augenbrauen und war wohl auch wimpernlos - mit den ausgeprägtesten glotzaugen, die ich jemals in meinem leben gesehen hatte. wie ein aufrecht gehender frosch oder eine kröte, in eine uniform gezwängt und mit einem eleganten käppchen mit glänzendem schirm, darüber wieder dieses emblem, von dem ich nicht wusste, was es darstellen sollte und ob es überhaupt etwas darstellte.
wenn ich mir den mann genauer ansah, konnte ich mir auch vorstellen, dass die uniform teil einer grotesken verkleidung war, mitsamt dem käppchen und dem emblem, das einem faschingsorden glich und ein wenig zu sehr glänzte, zu sehr auffiel, als würde dieser mensch - aber davon war ich inzwischen auch nicht mehr überzeugt - als würde dieses etwas versuchen, durch sein auftreten vertrauen zu erwecken. 


nur warum das ganze?
warum gab es in diesem zug überhaupt einen steward wie diesen? es war ein zug der übelsten sorte, mit einem unbemannten speisewagen, in dem nur ein einsames nachtlicht brannte - nicht einmal die lampen an den tischen hatte man angelassen. ich hatte den raum beinahe fluchtartig verlassen, den ich auf der suche nach einem kühlen bier und etwas gesellschaft aufgesucht hatte. einer war dort gesessen, im halbdunkel hinten im abteil, als schatten, doch ich hatte keine lust verspürt, ihm gesellschaft zu leisten. welcher mensch sitzt schon völlig allein in einem verlassenen speisewagen, in dem kein annehmbares licht brennt? ein unangenehmer moment, und ich war froh gewesen, als ich wieder in meinem abteil angekommen war, trotz backofenhitze und einer vor durst ausgedörrten kehle. 
jetzt fragte ich mich, ob der mann im speisewagen derselbe gewesen war, der nun vor mir stand. war er mir gefolgt? 
hatte er sich eine steward-uniform übergezogen und war mir durch die gänge gefolgt, bis in mein abteil, und wenn ja, welche absicht hegte er in wahrheit? und dann dieser satz, den er völlig unvermittelt abgesondert hatte:
"hat der herr noch einen wunsch?"


der satz kam von irgendwoher hinter seinen schultern, wo jedoch niemand war. wir waren allein im abteil. nun stand er da und wartete und glotzte abwesend sein spiegelbild im erleuchteten fenster an, mit seinen ekelhaften, feuchten froschaugen.
ich überlegte noch, was ich darauf antworten sollte - konnte ich diesem mann wirklich meinen wunsch nach einem bier anvertrauen - als plötzlich das licht im gang flackerte, und ausging. ich wurde langsam etwas nervös und war kurz davor, den mann zu bitten, mein abteil zu verlassen, als auch in meinem abteil das licht flackerte, ausging..wieder anging. der mann sah mir ins gesicht. 

ich bemühte mich um haltung, stand halb auf, wollte zu reden ansetzen, als es dunkel wurde und ich in meinen sitz zurücksank, wie gelähmt und unfähig, einen satz zu äussern. ich ergab mich ins unvermeidliche und fühlte in meinen gedanken schon das messer an meinem hals.


doch nichts dergleichen geschah. er setzte sich nur neben mich, sass starr wie ein holzklotz neben mir und verharrte auf diese weise, stunde um stunde. 
manchmal flüsterte er mir verschwörerisch etwas zu, das ich nicht verstand. manchmal drang ein fettiges, unangenehmes lachen aus seiner kehle, aber meistens sass er nur da, in meine richtung gedreht, und glotzte mich aus seinen ekelhaften froschaugen an. vielleicht sah er auch nur neben mir vorbei zum fenster in die nacht hinaus - ich wusste es nicht, ich konnte nicht den mut aufbringen, ihm ins gesicht zu sehen. 

vielleicht sah er nur in die nacht hinaus. 
ich hoffte es.

10.11.14

grüsse aus der twilightzone


hey^^

bin noch am leben. irgendwie. in irgendeiner form. wenn ich mich aus dem wust von dingen, die ich ununterbrochen erledigen muss (verdammt, wann hat das angefangen?!?) befreie, dann bemerke ich mit angenehmem gruseln, dass ich immer noch lebe und gott sei dank immer noch einigermassen spooky bin, also immer noch ich. ye.

ich hatte nicht wirklich irrwitzig viel freizeit, hab REIN GAR NIX gebastelt, d.h. ich kann leider kein neues monster vorstellen und zu halloween habe ich auch hauptsächlich gepennt und keine kürbisse geschnitzt oder sonstwas kreatives getan, was man halt zu halloween so macht. z.b. diese wunderbaren düsteren LATERNEN bauen, die traumhaft am fensterbrett mit dem mond um die wette leuchten. nichts. gar nichts. aber ich habe pläne. der weihnachtsurlaub kommt sicher und dann heisst es wieder, neue grungige strickmonster basteln. habe ich noch jeden weihnachtsurlaub gemacht, also bin ich extremst guter dinge. ausserdem werde ich wieder anfangen, echte briefe per hand zu schreiben und auch ab und zu wieder mal eins meiner "gefürchteten" düsterglitzrigen pakete auf die reise schicken, die prallvoll gefüllt sind mit geschenken, glitter, candy und ganz viel spookyness. ja.
das sind so meine pläne für die nähere zukunft. ich vermisse die tapes, die wir damals bemalt haben und die playlists, die wir innen aufs cover draufgekritzelt haben. am liebsten würde ich wieder tapes aufnehmen und bemalen. und ich kann mich noch an die friendshipbooks erinnern, die immer in umlauf waren. die man ausfüllen und weiterschicken musste (meistens hab ich sie einfach nur weitergeschickt). irgendwie schon ein horror. wenn man die ausgefüllt hat, haben irgendwelche leute deine adresse erfahren und manchmal waren das sicher menschen, denen du nicht im dunkeln begegnen möchtest. sozusagen. obwohl die dunkelheit sicher fast jedem menschen schmeichelt.

☽O☾

ich sitze gerade in besagter dunkelheit, habe ohropax in den ohren stecken, weil meine entzückenden bauernnachbarn von oben wieder mal irgendetwas lautes - und ich WILL nicht wissen, um was es sich handelt - zelebrieren, habe über den ohropax die fetten kopfhörer & schaue videos von grav3yardgirl. ja. das mädel ist wirklich lieb, unternimmt viel, spricht schnell und betreibt ab und zu echt interessante dinge. wenn ich da an die ghost box denke, wird mir anders. sie hat anscheinend ne extreme hightech-ader und besitzt sonderbare gegenstände, z.b. die ghost box, mit denen sie stressfrei die toten abhören kann. früher hätten wir so ein ding wirklich dringend gebraucht. wir haben damals mittels kassettenrekorder und tape gearbeitet und sind bei jedem störgeräusch auf dem tape völlig ausgerastet. meistens hab ich nix gehört, aber die anderen haben obskure wörter vernommen, die aber null sinn ergeben haben. mir ist gerade durch den kopf gegangen, dass ich noch ein echtes geisterphoto habe, das wir damals am friedhof aufgenommen haben. das habe ich noch nie gebloggt, denke ich. mal die festplatte durchsuchen, ob ich es noch finde. es gibt ordentlichere festplatten, das muss ich gleich mal vorwegschicken. aber ich gebe mein bestes. ich hab's gefunden und möchte es bloggen, obwohl wir damals sowas von wüstes haarwerk hatten, vor allem ich, und obwohl m. damals geschminkt war. das wollte er nicht. es war nur so, dass wir ihn im café nordstern, wo wir vorm friedhof waren, spontan geschnappt, zu boden geworfen und zwangsgeschminkt haben. es klingt schlimmer als es ist. m. hält sowas aus, denn m. ist nicht aus zucker.



eva, moi und m. in trauter runde am mariatroster friedhof in graz


hier ist also das geisterphoto, das wir vor urzeiten am friedhof in mariatrost geschossen haben. diese nebelhand (?) scheint in unsere richtung zu greifen. klar, man könnte jetzt einwenden, dass wir unheimlicher sind als diese nebelhafte schliere - EKTOPLASMA,WIE WIR XPERTEN DAZU SAGEN :). aber wir waren jung, düster und hatten gerade eine dieser extremen goth-parties laufen. so schaut es aus, wenn goths mal so richtig abfeiern, falls es jemand nicht gewusst haben sollte. ne, scherz beiseite :) wir hatten ne dichterlesung am friedhof. byron, shelley und eigene werke... ja, und einiges an wein wurde auch getrunken. es wurde mehr gelacht, als es den eindruck macht. nur als dieses photo gemacht wurde, war keinem mehr zum lachen zumute. es war der augenblick, als es uns allen gleichzeitig eiskalt wurde, und zwar von innen her. es ist so, als würdest du von innen her erfrieren. wir haben alle angefangen zu schlottern, obwohl es eine wirklich angenehme warme nacht war. dann wollten wir einfach nur noch heimgehen. in dieser nacht haben wir getrennt voneinander alle den starken wunsch verspürt, uns umzubringen. damals haben wir ununterbrochen miteinander telephoniert, nur leider war m. nicht zu erreichen und ich habe mir die ganze nacht gedacht, dass "die" ihn gekriegt haben und dass er sich umgebracht hat. obwohl das ja gar nicht zu m. passt, denn m. war von uns allen immer der besonnenste. wir haben uns dann am nächsten tag getroffen und waren gottseidank noch alle da. was uns schockiert hat, war der hass, der von dem ding ausgegangen ist und diese kälte. und dass das "wesen" uns töten wollte. dass 4 leute sich getrennt voneinander gleichzeitig umbringen wollen, ist wohl relativ selten und weist sicher auf einen fremdeinfluss hin.
  
leider besitze ich keine anderen geisterphotos, aber ich habe eins gesehen, das ein damaliger bekannter am wiener zentralfriedhof gemacht hat. ebenfalls in der nacht und natürlich auch auf film (damals gab es noch keine digitalphotos). er hat damals eine auffallend heruntergekommene gruft mit geborstenem gruftdeckel photographiert, einfach nur, weil diese gruft so verdammt cool ausgesehen hat. als er die ausgearbeiteten bilder zurückbekam, hatte er erstmal einen schock. dann hat er die bilder uns gezeigt und wir hatten auch einen schock. denn über dem gruftdeckel - und ich schwöre, dass es wahr ist - hing ein schwert aus nebel. bzw. aus diesem ektoplasma, das im obigen photo vorkommt. aus diesem material war ein grosses schwert geformt, mit der spitze nach unten, direkt über dem grab. was das genau war, wussten wir nicht. geist konnte das ja nicht wirklich sein, aber das material war eindeutig "geisterhaft". es sah wie ein artefakt aus. etwas, das man als eine art memorial für jemanden baut, eine art kunstwerk. vielleicht war es für denjenigen gedacht, der dort begraben lag. und vielleicht gibt es ja jede menge unsichtbarer dinge, die nur das kameraauge erkennen kann?


anscheinend haben wir menschen eine sehr eingeschränkte wahrnehmung und alles, was darüber hinausgeht, wird als spinnerei abgetan und als nicht existent. es ist nur so, dass eine nullachtfünfzehn kamera mit einem stinknormalen film mehr erkennen kann als das menschliche auge. ektoplasma beispielsweise. man sollte einfach nur eine kamera nehmen, einen altmodischen analogen film und ab auf den friedhof. gute nerven mitnehmen, dann kann so gut wie gar nichts passieren. achja, und eventuell einen guten freund, denn es ist sicher immer besser, wenn man mit jemandem lachen und reden kann. denn manchmal wird es mehr spooky, als man ertragen kann. dieses abhängen an gruseligen orten, eventuell auch an orten, die man als besonnener und vernünftiger mensch nicht aufsucht, nicht mal bei tageslicht und schon gar nicht in der nacht, nannten wir damals "twilightzoning". ich liebe diesen ausdruck immer noch. twilightzoning war alles, was im grunde verboten war, was einem den verstand zerstören könnte und absolut gefährlich war. wir waren auf diesem gebiet ganz gut. es war unser hobby. ist es immer noch, bemerke ich gerade.:)  

kann gut sein, dass ich mit m. wieder mal des nachts am friedhof rumlaufen werde (obwohl das ja die twilightzone für anfänger ist, aber auch am friedhof bei nacht können garstige dinge passieren. werde beizeiten mehr davon berichten.). und wenn ich mir die nächtliche totenwelt wieder mal anschauen werde, in der ich früher schon fast zuhause war und die ich manchmal einfach nur vermisse, dann werde ich die kamera mitnehmen, die mit dem analogen film. ich möchte ja mehr sehen. viel mehr, als meine augen es können. vor allem möchte ich einmal begreifen, warum ein verdammtes schwert aus ektoplasma im stealth-modus über einer gruft hängt.