25.11.23

das stille liebespaar


er liest ihr aus einem buch vor.

sie ist so auf ihn konzentriert, dass sie die umgebung nicht beachtet. er ist ein schöner mann, vielleicht nicht schön für den geschmack der masse, dafür ist er zu dünn. sein gesicht ist sehr schmal, seine wangen sind leicht eingefallen, doch sein mund ist voll und sieht sinnlich aus.
er liest ihr konzentriert vor und sie sieht ihm ins gesicht. sie wirkt nicht so, als könnte sie sich auf das konzentrieren, was er liest, obwohl sie sich mühe gibt. er lenkt sie zu sehr ab. sie studiert seine züge wie eine landkarte, die man liebevoll und aufmerksam studiert, wenn man eine lange reise plant.
ein unerforschtes land.

wenn er so liest, sieht er jesus ähnlich, der gerade seinen jüngern ein gebet vorträgt - so sehr ist er auf den text konzentriert. er will sie damit bezaubern, aber das hat er schon längst getan, durch seine gegenwart allein. ein wenig erinnert er auch an johnny depp oder che guevara, ein abenteurer, einer, der nie den leichtesten weg geht.

neben den beiden liegt sein abgegriffener gitarrenkoffer auf der bank. das mädchen kann nur ein paar akkorde, aber sie liebt es, seine gitarre in ihren händen zu haben, und ohne es wirklich zu können, darauf zu spielen und dazu zu singen. die stimme des mädchens klingt wie regen. sie hat nie singen gelernt, aber ihre stimme ist fein und ausdrucksvoll und vibriert wie regen, der zur erde fällt.
dann sieht er sie ähnlich an wie sie ihn gerade eben, konzentriert, wie eine landkarte. 
orte, die alle poetische namen haben. strassen, die nie in die irre führen. auf seltsame art schon jetzt vertraut, aber nicht daran gewöhnt, nie daran gewöhnt, und so wird es immer sein. 
ein regenbogen mit einem topf gold am anderen ende.

20.11.23


das mädchen im blauweissen shirt sitzt stundenlang in derselben position und blickt aufs meer hinaus
am gang lehnt ein junger mann an der halboffenen tür seines abteils und sieht den möwen zu
seine zigarette verglüht hinter ihm unbeachtet zu asche
der lokführer hält eine antike seefahrtskarte in der hand
er blickt sinnend auf den blankpolierten kompass
schaltet die geräte ab und lehnt sich zurück
grünes meerwasser spritzt auf die scheibe
ein buntgewandeter seiltänzer tanzt 10 meter über der meeresoberfläche
die enden des seils verschwinden im dunst am horizont
was für ein schöner anblick das ist, murmelt schläfrig eine alte frau am fenster
ich wollte ihn doch immer noch einmal sehen
er verneigt sich leicht, während sie ihm leise applaudiert

15.11.23

der engel des anbrechenden tages

in einem abteil weiter vorn im zug. die vorhänge an der tür sind halb zugezogen, sie flattern im luftzug, das fenster steht offen. jemand liegt auf der bank und sieht hinaus. ein mädchen, ganz allein.

sie trägt eine kurze hippiebluse mit rotem blütenmuster zu dunkelblauen jeans, die an ihren hüftknochen hängt, dunkelblau, retro, mit abgewetztem stoff, auf dem geschliffene bunte glasperlen funkeln wie kleine verirrte sterne, wunderschön wie alles, was sie trägt, zwischen sehr schäbig und sehr glamourös, nicht grad stylish, sondern mehr, niveauvoll auf eine art und weise, die man nicht auf den ersten blick erkennen würde, auf den zweiten blick umso mehr, aber dann kann man ohnehin nicht mehr wegsehen, von dieser erscheinung, die elfengleich oder wie einer dieser unfassbar schönen rockstars einfach nur enspannt auf der bank liegt und gleichzeitig so aussieht, als würde sie posieren. bei ihr sieht alles wie pose aus, alles was sie tut, und wenn sie nur beim bäcker baguettes kauft. wahrscheinlich, weil sie elegant ist, zart und mit langen gliedmassen, elegant von natur aus.

an ihrem hals hängt ein lederband mit einem silbernen blüten-anhänger, der nach flohmarkt aussieht oder nach einem dieser wirklich guten juweliere, die schmuckstücke herstellen, die nach flohmarkt aussehen, und wieder muss man daran denken, wie es ist, einfach so am frühen sonntag morgen über den flohmarkt zu schlendern, mit wenig geld aber viel zeit, und dem tag beim erwachen zuzusehen, vielleicht danach eine tasse milchkaffee zu trinken, in einem winzigen kaffeehaus, in dem es nach frischen brötchen und kaffee duftet, nachher blumen für die wohnung zu kaufen, die man in den flohmarktvasen überall in den zimmern verteilt
sie sieht nach allen diesen dingen aus, wie gemalt, ein bild aus angenehmen erinnerungen und frischen träumen, wie der tag, der gerade anbricht, kaleidoskopartig bunt, gemustert, durchbrochen von versprengtem sonnenlicht und
verwirbeltem zigarettenrauch.

ungewollt wie ein rockstar auszusehen und immer noch wie ein kind zu sein, das hat sie wohl gut drauf und es ist bei ihr echt und nicht gestellt, das sieht man an ihren augen, die wie die eines rehs sind, dunkelbraun und weit offen. klare augen. wie ein waldteich, bei dem man auf den grund sehen kann, ohne trübungen, als wäre alles ganz einfach, was es sicher nicht ist, und sie weiss das, aber es kümmert
sie nicht. sie reist in ein unbekanntes land, das sie nicht fürchtet. vielleicht gäbe es einiges, was zu fürchten wäre, aber wie es eben so ist, es kümmert sie nicht. sie hat genügend kraft und innere ruhe.


diese reise anzutreten, das wünschte ich uns allen, eine reise in ein frisches grünes land, zusammen mit den engeln des anbrechenden tages. es liegt an uns, was wir daraus machen.

12.11.23

horror-dornröschenschlaf und der kaffee nach dem aufwachen

vor über einem monat, am 3. oktober, war wieder mal ein besuch von mom angesagt, so wie immer, zum kaffeetrinken und reden, also ein sehr guter tag. wenn er gewesen wäre wie immer. mir ist von anfang an aufgefallen, dass etwas anders ist als sonst. normalerweise ist sie immer am frühen nachmittag hier, damit wir mehr zeit haben, aber dieses mal war sie erst gegen 16 uhr hier und ich dachte noch, verdammt, das wird im prinzip sehr stressig, wie wollen wir da alles besprechen. sie hat einiges von zuhause mitgebracht, ich hab sie unten beim briefkasten schon getroffen und wollte ihr die sachen abnehmen und sie meinte noch, sie müsste noch was holen, und vielleicht würde ich mal kaffee kochen und sie kommt dann nach. ich koche immer espresso für mom, den hat sie zuhause nicht und sie freut sich immer drauf. also bin ich zurück in die wohnung, kochte den espresso und warte. dauerte lang. hm, ok, dachte ich, sie hat halt was vergessen und ist zum supermarkt gefahren, sie sagte doch, ich soll schon mal vorgehen und warten, sie würde eh bald kommen. dachte bei mir, meine mom wollte wahrscheinlich noch was süsses zum kaffee mitbringen, macht sie ja oft. und ich wartete. und wartete.

und wartete.

unten vorm haus war ein riesentumult, ist mir vage am rand aufgefallen. sehr viel polizei, strassensperre, anscheinend ein wirklich schlimmer unfall. ich dachte mir, kein wunder, die leute rasen dermassen, musste ja mal passieren, vor allem, da unser haus mitten in einer kurve steht. meine mutter würde einfach nicht durchkommen und warten, bis der horror da unten vorbei ist. eine rettung kam, fuhr bald danach ohne blaulicht ganz langsam wieder weg, ich spürte dieses sonderbare gefühl, dass es ja sein könnte, dass es meine mom sein könnte, die da drinnen liegt, und das seltsame war, dass dieses gefühl von anfang an da war, aber dass ich es einfach immer weggekickt habe, denn das darf nicht sein, meiner mutter passiert so etwas prinzipiell nicht, nicht sowas schlimmes. das ist nicht sie. 

dann hat mein vater angerufen, ob meine mutter gut angekommen ist... ich wusste nicht, was ich sagen sollte, ich sagte nur, sie wär was besorgen gegangen und noch nicht hier. was ihm seltsam vorkam. mir in meinem wunderlichen gemütszustand kam das ganze wirklich normal vor, denn meine mutter hat keine solchen unfälle, nicht sie, niemals. im supermarkt wäre ganz einfach viel los um diese zeit und dann würde sie ja noch warten, bis man wieder über die strasse gehen konnte. dass sie in so einem fall ganz sicher anrufen würde, ist logisch, aber ich hab nicht mal dran gedacht. mein mantra war nur: sie ist völlig ok und ihr ist nichts passiert. der rest war nicht mehr existent. 

ich hab dann mit meinem supernervösen vater ausgemacht, dass ich mit der polizei rede (ganz ganz klasse das, ich und mit der polizei reden) und ging runter auf die strasse und fragte nach. die polizistin sagte, es wäre schon eine frau überfahren worden, aber die wäre 96 jahre alt. sehr viel älter als meine mutter. also ging ich wieder in meine wohnung und berichtete alles meinem dad, der schon entführungs und lösegeld-wahnvorstellungen hatte. der abend kam dann und ich war noch keinen schritt weiter. meine mom war weg, unser auto stand verlassen am parkplatz, mein kaffeekonsum wurde langsam lebensbedrohlich. im internet stand nichts, es gab zwar schon einen unfall, ein paar stunden vor dem unfall vor unserem haus - eine studentin wurde von einem lkw totgefahren, ganz in der nähe. so schlimm, aber ich war nicht wirklich in der lage, wirklich was zu fühlen. ich begann, die krankenhäuser anzurufen. zuerst das ukh. wenn, dann wäre sie doch im unfallkrankenhaus, da landen unfallopfer doch immer. niemand wusste von ihr. dann das lkh, mit genau demselben ergebnis. meine mutter war anscheinend nicht dort. private krankenhäuser? eher bullshit, denn bei uns ist's meisens ukh oder lkh, sonst nix. weiter anrufen, nur wo? blieb natürlich nur die polizei übrig. aber ich wusste nicht, welche abteilung ich anrufen sollte bzw. welche leute da auf der strasse vor unserem haus gewesen waren. also suchte ich die nummer der polizeistation, die für unseren distrikt verantwortlich ist raus und versuchte es dort. eine sehr nette junge frau ging ran und versprach, mir zu helfen. sie meinte, es könnte allerdings ein bisschen dauern.

nach ca. 1 std war sie wieder da und sagte, die polizei hätte gleich nach meinem anruf eine fahndung rausgegeben, denn meine mutter war wirklich wie vom erdboden verschwunden.


schliesslich wurde sie dann doch lokalisiert, und zwar im lkh graz, chirurgie 1. absolut gute arbeit der polizei, denn meine liebe mom hat die ecard eigenartigerweise zuhause vergessen - sie hat sie sonst aber dabei und ich hab nicht die geringste ahnung, warum sie nicht im portemonnaie war bei den kreditkarten, denn das muss einfach so sein. ausweis hatte sie auch nicht dabei, denn der war im auto. und als sie in die rettung geladen wurde, konnte sie noch ein paar sätze sagen, nur sehr unverständlich. sie hat den nachnamen so ausgesprochen, dass die polizisten dachten, sie wäre diese andere frau, die viel ältere. kam den polizisten sonderbar vor, sie schaut nicht alt aus, und ausserdem wurde dann später noch eruiert, dass diese ältere dame schon verstorben ist. also war meine mutter im lkh als "notfall" eingeliefert worden, ohne namen, ohne infos, ohne alles. ich rief also im lkh an, wieder. die frau, mit der ich telefonierte, wollte mir nichts sagen, ausserdem wollte sie mehr infos, denn die chirurgie 1 hätte 9 stockwerke und das, was ich wusste, war zu wenig. ich wieder bei der jungen frau vom wachzimmer angerufen. (die nacht wurde langsam sehr lang) die polizistin meinte, die pfleger im krankenwagen hätten nur "chirurgie 1" gesagt und wären dann gefahren, mehr infos gab es nicht. also haben wir ausgemacht, dass jetzt sie dort anrufen würde, denn der polizei müsste das lkh schon auskünfte erteilen. nach längerer zeit war es dann soweit und wir wussten, wo meine mutter war. chirurgie 1, neurologische intensivstation. mit einem schädelbruch und einem hirntrauma, natürlich nicht ansprechbar.

diese nachrichten musste ich dann meinem vater überbringen, was mehr horror war, als ich mir jemals vorstellen konnte. mein dad reagierte aber anders als gedacht. er wurde sozusagen zu einem duracell-hasen, denn er schaltete sofort in einen dermassen speedigen action-mode, dass mir anders wurde. begann sofort den koffer zu packen, auch für meine mom und bestellte schon das taxi für den nächsten tag. er ist tatsächlich mit dem taxi hierhergefahren, was aber verständlich ist. hätte ich genauso gemacht. wir fahren alle nicht auto, nur meine mom und die öffis sind in diesem fall nicht hilfreich. um 2 uhr morgens endete einer der schlimmsten tage unseres lebens. aber es ging sehr schlimm weiter.


am nächsten tag früh am morgen rief die polizei bei mir an, und zwar die leute, die tatsächlich den unfall aufgezeichnet haben, nicht das wachzimmer. und die leute vom unfallkommando waren fast schon lebensretter. wir haben ziemlich oft miteinander geredet in letzter zeit und der mann, mit dem ich gesprochen habe, sagte, ich könnte immer anrufen, egal was ich brauche, auch nur zum reden. er meinte, die gedanken des ganzen dezernats wären bei meiner mutter. und er schilderte mir den unfallhergang: ein rennradfahrer ist ungebremst in meine mutter reingefahren, als sie die strasse überqueren wollte. der radfahrer sagte natürlich, dass meine mutter schuld wäre, aber das ganze wird später abgehandelt und darüber werde ich später noch schreiben. wir haben inzwischen auch einen sehr guten anwalt, der alles erledigen wird. zuerst war das wichtigste, dass meine mutter überlebt.


auf der intensivstation

meine mom war im künstlichen tiefschlaf, wurde  künstlich beatmet und hatte 2 medikamentenständer, die randvoll waren. rund um sie nur monitore und ziemlich gruselige geräte. als sie eingeliefert wurde, musste man ihre kleidung zerschneiden, weil sie natürlich nicht bewegt werden durfte. dann kam gleich eine notoperation. durch den aufprall am asphalt hatte sie eine hirnschwellung und war in lebensgefahr. sie wurde von der primaria, die sehr gut sein soll, operiert, wenigstens war das mal beruhigend. später gab es noch mal eine hirnschwellung und ein blutgerinnsel, das aber mit medikamenten beseitigt werden konnte. über 3 wochen tat sich fast gar nichts. sie war im tiefschlaf, wurde beatmet, konnte nicht geweckt werden, weil ihr hirn ruhe brauchte. "feierte" geburtstag auf der intensivstation, schlafend. der schlauch, den sie im mund hatte, wurde dann mal entfernt, sie wurde aber weiterhin künstlich beatmet, über einen luftröhrenschnitt und die kanüle, die ihr eingesetzt wurde. ernährung durch eine sonde in der nase. die hirnsonden wurden langsam entfernt, kopfverband blieb noch, aber langsam konnte man erkennen, dass ihre haare nachwuchsen (sie hatte anfangs eine glatze). es kamen auch mal ärzte zu uns, die mehr oder weniger nützliche dinge sagten, am unnützlichsten war die info, dass meine mom aufgrund der schwere der verletzungen wahrscheinlich eine intensivpflegepatientin bleiben würde, eventuell heimpflege bräuchte und ja eventuell könnte sie sich ja noch erholen, aber man glaube es im grunde ja nicht wirklich. hm. kommunikationsgenies. die sollte mal einen kurs machen, wie man mit angehörigen redet, denn ehrlich, mein dad war grün im gesicht und wär fast vom sessel gekippt. was bringt es, wenn das pflegepersonal noch zusätzlich leute krank macht? aber egal, ich war da schon wie ein zombie, mein dad mutierte zum gespenst und meine mom war ohne bewussein. meine family!! wir sind officially fucked. am ende, ärger ist nur der tod, und der war nah dran bei meiner mom.


man überreichte uns ein attest sowie den antrag auf erwachsenen-vormundschaft. mein vater sollte darum bei gericht ansuchen, dann könnte er moms angelegenheiten erledigen. kam uns extremst ekelhaft vor, aber ok, ekelhaft war eh schon alles, also nimmt man das auch noch mit. dann wurde uns gesagt, dass man für meine mutter nichts mehr tun könnte. und ich hab wieder mal die nerven ad acta gelegt. was zur hölle soll das wieder heissen. mein vater konnte noch einigermassen mitdenken und erklärte, dass mom ja auf der chirurgie lag (hatte ich vergessen) und dass sie nicht mehr operiert werden musste. sie wurde also verlegt, in ein krankenhaus in der nähe vom wohnort meiner eltern. ebenfalls intensivstation, aber kleiner und fast schon gemütlicher. ein paar tage, nachdem sie den luftröhrenschnitt bekommen hatte, begann sie selbst zu atmen. das ist sehr wichtig, denn sollte sie später pflege brauchen, kann sie gut zuhause gepflegt werden, wenn sie atmen kann. die kanüle blieb trotzdem drinnen, für alle fälle. aussdem muss sich die atemmuskulatur wieder ans selbständige atmen gewöhnen. war schon mal sehr positiv, aber meine mutter schlief einfach weiter. sie konnte jederzeit aufwachen, die narkosemittel waren schon in graz abgesetzt worden, aber sie brauchte noch zeit. manchmal öffnete sie leicht die augen, wenn sie seitlich gedreht wurde. sie gähnte ganz oft, schnarchte manchmal ganz leise. mehr nicht. augen öffnen, auf schmerzsignale reagieren, geräusche von sich geben und selbständig atmen - das alles ist im prinzip schon ok, aber noch kein grund zum jubeln, denn das können auch wachkomapatienten. man ist noch im vegetativen zustand, mehr nicht. dad besuchte sie täglich, ich sehr oft, denn ich hatte urlaub und verbrachte ihn natürlich zuhause. ich hatte einmal das gefühl, dass sie mich todmüde anschaut und dass ihr blick dann abgleitet und sich verliert. hab immer mit ihr geredet, mein vater auch. eine krankenschwester meinte, meine mom hätte sie am morgen bei der pflege angelächelt und zwar so richtig, mit voll anschauen, augen fokusiert, bei bewusstsein. und sie hat es tatsächlich geschafft, von meiner mutter ein foto zu machen. unsere besuchszeit war am nachmittag und meine mutter war dann immer schon wieder müde. aber irgendwann hat sie uns auch angeschaut und uns viel angelächelt, vor allem meinen vater. zuerst war sie nicht ganz sicher, wer ich bin, glaube ich. war bei m. genauso, als sein vater den schlaganfall hatte. 

ich habe den krankenschwestern erzählt, dass meine mom quasi von kaffee lebt, also begannen sie damit, ihr mit milchkaffee den mund auszupinseln - eine sehr gute idee!! schlucken ging ja noch nicht richtig, aber sie hat auf diese weise schon ihr kaffeechen geschmeckt.

ich hatte zwischendurch horrorvorstellungen von dornröschen, vor allem weil wir auf der intensivstation selbst so müde würden und uns am liebsten neben sie gekuschelt und geschlafen hätten. und von den hellraiser-filmen, ganz am anfang, als so viele unheimliche maschinen um ihr bett standen. da dachte ich, mich würde nicht wundern, wenn pinhead und seine kumpels plötzlich aus der wand hinter dem bett kämen. intensivstation ist die pure horrorshow.


eine schlimme phase war glaube ich die angst nach dem aufwachen. diese scheussliche angst in den augen meiner mutter, als sie nicht wusste, wo sie war und was passiert war, wer wir alle sind und warum sie nichts mehr kann. ein paar tage lang sah es so aus, als würde sie in einem alptraum leben. was normal ist. natürlich habe ich alles darüber gelesen, was ich kriegen konnte und diese angst und manchmal auch tiefe traurigkeit ist der normalzustand nach dem aufwachen aus dem tiefschlaf. das gemeine ist, dass man nicht helfen kann. aber mit der zeit legt sich das und dann kommen die nächsten hürden, die bewältigt werden müssen und die nächsten etc. es stand auch noch eine op an. man hat uns in graz so nebenbei mitgeteilt, dass ihr oberschenkelhalsknochen gebrochen ist und diese op wurde für später angesetzt. wir haben mit dem anästhesisten gesprochen, der sich sehr viel zeit für uns genommen hat, und von diesem arzt bekamen wir endlich richtig gute infos. nämlich dass meine mutter so bald wie möglich  mobilisiert werden muss, sie müsse ja wieder gehen lernen. das klang schon besser! am tag nach der op war sie schon "in strahlender laune" (o-ton krankenschwestern) und am tag danach, als wir sie besuchten, sass sie am bettrand, völlig vornübergeneigt (ihre rücken und - halsmuskeln funktionieren noch nicht so gut), sehr gut gelaunt und stolz auf sich, was sie wirklich sein kann. sie wollte so lange sitzen wie möglich und hat es 2 stunden lang geschafft! sprechen konnte sie noch nicht, aber nicken und den kopf schütteln, also war ein bisschen konversation schon möglich. sie konnte manchmal radio hören, was für sie immer ein highlight war - mom hat früher nie viel radio gehört und die musik geht ihr extrem auf die ketten, aber ihr war einfach total langweilig. audiobooks waren natürlich noch kein thema und sind es auch jetzt noch nicht. 

mein urlaub war dann auch mal vorbei, aber ich hab alle infos, denn mein vater ruft mich täglich an und berichtet. sie konnte bald darauf den ersten satz sagen. "hallo robert" zum meinem dad :)

seither wird es täglich immer besser. mein vater hält ihr jeden tag das handy ans ohr und ich telefoniere mit ihr. sie weiss, wer ich bin und sie erinnert sich langsam an ihr eigenes leben. aussderdem kann sie seit gestern wieder selbst essen. es gab griesnockerlsuppe und eine banane und sie kann tatsächlich selbst schlucken. wenn sie wasser trinken will, kann sie das auch schon selbst machen, sie kann die tasse halten und zum mund führen. und kaffee trinkt sie auch schon wieder. :) der antrag für die neurologische reha ist schon eingereicht worden, sie könnte jeden tag damit beginnen, wir warten nur auf einen freien platz. ich glaube, dass sie es sehr schnell wieder drauf hat, ihr leben selbst zu bewältigen. das hat sie auch gestern am telefon gesagt - sie möchte, dass wieder alles normal wird und sie wird das auch schaffen! das glaube ich auch.