21.11.12

mütterchen prag

als wir damals in prag waren - es ist schon eine zeitlang her - da waren wir fest davon überzeugt, irgendwann mal als künstler zu leben. möglichst brotlos, versteht sich. beinah schon arm. denn irgendwie wussten wir, dass materielle armut einen nicht unbedeutenden beitrag einerseits zu sozialer romantik, andererseits zu der kreativen entwicklung eines menschen beiträgt.bitte jetzt nicht falsch verstehen- der gedanke ist radikal, aber es ist sicher einiges dran: gib einem menschen alles, was er möchte und du nimmst ihm die möglichkeit, für sich etwas zusammenzubasteln oder zu bauen, das im prinzip schon ein ersatz für das ist, was man für geld kaufen kann, andererseits so viel schöner, da unrund und niemals glatt. keine fabrik-arbeit. arbeit aus dem stillen kämmerlein. und genau dafür waren wir bekannt. dass wir beide im stillen kämmerlein dinge ausbrüteten und auch wirklich umsetzten. kreativerweise, versteht sich. keine schurkischen pläne oder verschwörungen. simple, kreative ideen, zuerst auf papier gebracht und dann in 3D, ganz und gar nicht virtuell, handgearbeitet. dinge zum anfassen. dinge zum erleben, zum überleben.

mütterchen prag nahm uns gnädig auf. es war tatsächlich liebe auf den ersten blick bei uns dreien. wir beide verliebten uns in prag und prag verliebte sich in uns. man merkt so etwas. eine stadt kann die hölle auf erden bedeuten, wenn sie dich nicht annimmt. eine stadt muss dich annehmen wie eine mutter ihr baby. und prag hat uns angenommen. adoptiert, sozusagen. in prag gab es wunder für uns. wunder, für die man nicht bezahlen musste. man musste nur die augen öffnen und schauen. prag am abend, kurz bevor sich die dunkelheit herabsenkt. goldenes licht fällt in die gassen, auf das kopfsteinpflaster. eine galerie, zu später stunde noch offen, man kann sie durch das fenster sehen - lachende menschen. um den künstler geschart, der an einem grossen tisch sitzt, um sich die freunde versammelt. und sind nicht alle, die seine kunst verstehen, seine freunde, vielleicht sogar die familie? man sah uns auf der strasse stehen, hereinschauen. einige kamen auf die strasse, gingen auf uns zu. "kommt doch herein", sagten sie.

und so ging es weiter, in prag, denn das mütterchen hatte vor, uns nicht aus ihren armen zu entlassen. ihre bewohner und wir, die besucher, die schon fast mehr waren (beinahe schon prager, zumindest in unserer fantasie) - wir alle fühlten diese ureigene schwingung, die durch diese stadt hindurchgeht, wie ein ton, den man nicht hören, sondern nur fühlen kann. ein dunkler ton, den ich auch in meiner seele finden kann, wenn ich endlich wieder leise und verinnerlicht genug bin, um ihn wahrzunehmen. ein lied. das lied einer stadt, die ein mysterium und für viele eine erlösung ist.

18.11.12

Thomas D. - Nina Hagen - Solo




mein derzeitiges lieblingslied. traurig, aber so schön.
ausserdem singt nini hier mit und das kann nie schlecht sein.

nini besticht hier nicht nur dadurch, dass sie nini ist, sondern
auch durch ihr goth outfit. die ersten sätze des liedes singt sie mit
thomas d.'s stimme und das freut mich immer wieder auf's neue.

12.11.12

bless the little children


irgendwie war es eine riesenprovokation. dass sie es taten und vor allem, wie sie es taten. breit grinsend, kaugummi im mund, mit dem skateboard unterm arm, auf dem bike hockend, der jüngste sogar auf einem bike mit stützrädern.
irgendwie war es eine riesenprovokation, wie sie die strasse blockierten und den fahrer des bmw fixierten, der sich gerade fluchend aus dem fenster neigte. der es nicht fassen konnte, abwechselnd hupte und aus dem fenster brüllte, mit vor zorn gerötetem gesicht, auf dem der schweiss stand. es war genau 12 uhr mittags und die sonne stand im zenit. die augusthitze liess die strasse wie eine fata morgana flimmern und wabern und wie eine fata morgana wirkte auch die gruppe kinder, nicht real, eine geistererscheinung, nur dass sich diese geister nicht um 12 uhr mitternacht, sondern um 12 uhr mittags manifestierten und ausserdem recht.. materiell erschienen. obwohl die situation selbst irreal und völlig verrückt war.

was wollten diese seltsamen kids von ihm? und wollten sie überhaupt etwas von ihm? war es ein scherz, ausgedacht von kindern, denen an einem langen heissen ferientag langweilig geworden war und die nun eine art von spiel spielten, das er als erwachsener nicht mehr verstand? er musste weiter, hatte einen wichtigen geschäftstermin, den er nicht verpassen durfte und war ohnehin spät dran. die kinder machten aber keine anstalten, zu weichen.

er starrte sie zornig an. sie starrten zurück, mit diesem breiten, trägen grinsen, das ihn irritierte und noch aggressiver machte, als er es schon war.

sogar auf dem gesicht des jüngsten - ein windeltragender pausbäckiger blondschopf in t-shirt, shorts und sandalen, der auf seinem kinderrad sass und unschuldig wie ein engel wirkte - lag dieses breite, abstossende grinsen, träge und unsagbar hässlich, wie eine grimasse. der kleine war braungebrannt und hatte schmutzspuren im gesicht und auf den oberarmen. auch seine kleidung, so fiel dem mann bei genauerer betrachtung auf, wies dunkle flecken auf, als hätte er sich in dunkler erde gewälzt. über das linke ärmchen zog sich eine lange, schlecht verheilte narbe.

er konnte es durch den flirrenden asphalt nicht genau erkennen, rund um die kinder waberte eine nebelhafte aureole aus zitternder luft, doch irgend etwas störte ihn am aussehen des kleinkindes auf seinem babyfahrrad. etwas stimmte nicht ganz, es war grotesk, aber war der hinterkopf des kindes nicht eigenartig flach und das gesicht ein wenig verschoben? nur eine spur, kaum zu erkennen, doch bei genauerer betrachtung eindeutig. das kind war verwachsen, wohl ein kleiner krüppel, ein idiot, der ihm breit grinsend den weg versperrte und sich dümmlich darüber freute, griente und sabberte.
der blonde bengel hatte doch tatsächlich begonnen, zu sabbern. in breiten rinnsalen lief ihm der schmodder aus dem halb geöffneten mund und auch die nase schien sich angeschlossen zu haben.

angewidert riss er seinen blick von diesem erbärmlichen anblick los und blickte zum ältesten hinüber, in der hoffnung, in ihm einen zwar asozialen, aber dennoch vernunftbegabten jugendlichen zu erkennen. der junge griente ihn an.

er würde aussteigen müssen. hinübergehen zu der gruppe kinder und ihnen manieren beibringen, so wie es ihre eltern hätten tun sollen. er mochte kinder im prinzip ganz gern, die wohlerzogenen zumindest, und es tat ihm leid, was nun gleich passieren würde. ganz kurz zuckte ein gedanke durch seinen kopf, der zu eigenartig war, um ihn ernst zu nehmen. steig nicht aus. gib gas und fahr mitten durch sie durch. überfahr sie. egal was, aber steig nicht aus dem auto aus.
was für ein ausgemachter blödsinn. er schüttelte den kopf über sich selbst, öffnete die autotür und stieg aus.


[ganz alte vignette, auf ein blatt eines collageblocks gekritzelt. schade, dass man in einem blog nicht kitzeln kann. das täte ich nämlich oft. kritzeln macht spass. kranke vignetten schreiben ebenfalls.]

5.11.12

seelenlos



http://www.youtube.com/watch?v=SZbVPiNI6dM

Ihr seid wie ich, uns trennt nichts
Da ist kein Unterschied
Denn ich spür wie eure Gier euch zu mir runterzieht
Ihr seht nicht was im Dunkeln liegt
Und das genieße ich
Ihr lebt in Sünde, denn es ist kein Paradies in Sicht
Doch etwas liegt in der Luft
Bezeichnet mich als Boten, denn
Ich bring den süßen Duft des Verbotenen
Ich bin der König der lebendigen Toten
Denn es ist Vollmond
Und mein Kuss gilt denen, deren Tod sich nicht lohnt

 Thomas D. - Seelenlos