16.12.23

das wunder


in meinem letzten blogeintrag war meine mutter gerade dabei, wieder essen zu lernen und sie konnte schon ein bisschen mit mir am telefon reden, wenn mein vater ihr das handy gehalten hat.
danach ging es sehr schnell voran, es gab kaum einen tag ohne fortschritt. sie war drei wochen auf der remobilisierungs-abteilung und genau diese drei wochen haben ihr richtig gut getan. erstens sind die leute dort sehr nett und zweitens möchte sie wieder auf die beine kommen. genau das lernt man dort. stehen, gehen, sich eventuell selbst waschen, zähneputzen, sich richtig hinsetzen, hinlegen, aufstehen... es ist die vorstufe der reha kapfenberg. 
ihr luftröhrenschnitt wurde nicht chirurgisch vernäht, es ist immer noch ein kleines loch im hals, aber es tut ihr nicht weh. sollte das loch nicht zuwachsen, müssen wir es vernähen lassen, aber man kann sich damit zeit lassen. wenn sie hustet, pfeift es ein bisschen. ich war in der letzten zeit bei mir zuhause, aber ich telefoniere ein paar mal am tag mit meinem vater und auch mit mom und deshalb bin ich immer informiert. ich liebe meinen job, aber diesmal war es brutal, arbeiten gehen zu müssen. ich wäre lieber bei ihnen gewesen.

mein vater war bis auf seltene ausnahmen (bei glatteis) jeden tag bei meiner mutter im krankenhaus. er ist nicht mehr der jüngste und es war anstrengend, aber er war immer aktiv, erinnerte mich ein bisschen an den duracellhasen. ich glaube, am anfang war es für ihn einfach nur wichtig, nicht denken zu müssen. er war ununterbrochen aktiv, auch im haushalt, beim einkaufen, dann im lkh. nur tun und nicht denken ist manchmal das einzige, was man machen kann, um durchzuhalten. 


meine mutter war beim remobilisierungstraining richtig gut unterwegs, das einzige, was sorgen machte war, dass sie nicht viel essen konnte/wollte. frühstücken ging grad noch, meistens eine buttersemmel mit honig und natürlich kaffee, aber danach ging kaum mehr was runter. sie sagte, ihr magen würde weh tun, was schon verständlich ist, wenn man bedenkt, wie sie sich in der letzten zeit ernähren musste. sondennahrung muss man erst mal aushalten. der magen muss sich wieder an gekaute und geschluckte nahrung gewöhnen. sie ist sowieso sehr zierlich und wurde also noch dünner, aber sie hatte gottseidank immer noch genügend energie für's training. eine gruppentherapie hatte sie auch, mit 6 leuten, und nach dieser therapie, in der sie anscheinend hervorragend war, wurde beschlossen, dass sie am 16. 12. entlassen werden sollte. es gab einige ärztekonferenzen und man war sich sicher, dass meine mom reif für die reha war. inzwischen konnte sie das handy schon selbst halten, meinen vater und mich selbständig anrufen und völlig normal reden. überhaupt nicht verwaschen oder seltsam. ihr vokabular dürfte schon so sein wie vor dem unfall, sie durchwühlt ihr gehirn nicht mehr nach wörtern oder redewendungen, sie redet sehr schnell und fließend. es ist wunderbar, wieder meine mom am phone zu haben und mit ihr dinge zu bequatschen, über die wir früher immer geredet haben. vor nicht allzulanger zeit dachte ich, so etwas würde nie wieder möglich sein. man hat ja hoffnung, aber meistens ist man nicht wirklich so optimistisch, wie man sein sollte, sondern eher müde und traurig. hoffnung zu haben ist aber kein fehler, kann ich nur aus eigener erfahrung sagen.

meiner mom war ja dauerlangweilig, also haben ihr die schwestern ein readers digest buch gegeben, ein bisschen zum durchblättern. sie hat immer wieder darin gelesen und sie hat auch meinem vater ein paar absätze vorgelesen. war einer der richtig guten tage. solche gab es nämlich, tage mit extremen fortschritten, die man niemals erwartet hätte. mein dad hat ihr dann eins von ihren büchern mitgebracht. sie hat entweder selbst gelesen, natürlich immer nur ein bisschen, oder  eine krankenschwester hat ihr vorgelesen. wir haben oft  geredet, sie hat immer mehr von meinem leben gewusst, immer mehr details waren plötzlich da. die zeit war schnell vorbei, nur für meine mutter war sie endlos, weil sie natürlich nach hause wollte.


der kurzzeit-pflegehorror

nach dem aufenthalt im lkh sollte eigentlich gleich die reha kapfenberg beginnen, aber es ist nicht leicht, sofort einen platz zu ergattern. auch wenn man lange vorher schon angemeldet wurde, kann es sein, dass man monate warten muss. was macht man in der zwischenzeit, wenn man noch gepflegt werden muss? am besten zu hause mit hilfe der familie, aber irgendwelche genies am lkh dachten, meine mom würde noch 24-stunden-pflege benötigen. was nicht stimmte. sie konnte schon so ziemlich alles selbst erledigen. mein dad kriegte eine spur die panik. 24-stunden-pflege, auch nur für kurze zeit, ist sicher absolut grausam. eine fremde person wohnt bei dir im haus, du weisst nichts über sie, du musst mit ihr immer kommunizieren und sie ertragen. mein dad hatte ganz einfach richtig angst. die 2. version ist das kurzzeit-pflegeheim. sie quartieren dich in einem heim ein, als gast, und du reisst dort die zeit runter bis zur reha. man konnte sogar einen platz für mom ergattern, aber wir waren alle nicht froh darüber. wir alle waren der meinung, dass meine mutter das erstens nicht nötig hat und dass zweitens ihre (psychische) gesundheit darunter leidet. niemand konnte nachvollziehen, woher die idee zu dieser 24-stunden-pflege überhaupt gekommen war. vielleicht hatte man einfach angst, dass meine mutter im haushalt verunglücken könnte. sie ist im lkh einmal im bad umgefallen, hat sich nichts getan, aber das gibt sicher zu denken. nur 24 stunden dauerbeobachtung? seltsam. unsere situation hatte sich plötzlich ziemlich verschlechtert, es war einfach nur extrem frustrierend.

ich hatte dann die idee, kapfenberg zu kontaktieren und eventuell ein bisschen zu checken, ob man meine mom eventuell früher aufnehmen könnte.
ausserdem hat m. mir von einem fall in seiner bekanntschaft erzählt- sein arbeitskollege wollte seine mutter nach einem schlaganfall in einer reha unterbringen (war aber nicht kapfenberg), am lkh wurde ihm bescheid gegeben, dass sie angemeldet wurde, aber das stimmte nicht, sie war nicht auf der liste und das ganze wurde noch einigermassen stressig. wir haben von kapfenberg lange zeit überhaupt keine nachricht bekommen und niemand wusste bescheid, also hab ich dort mal angerufen. es gibt eine hotline - 1 stunde pro tag. durchkommen ist fast unmöglich. nach 4 x anrufen dachte ich mir, mann dann ruf ich halt jeden tag dort an, auch egal. sie haben mich aber zurückgerufen. eine superliebe krankenschwester war dran, die mir zwar bestätigen konnte, dass meine mom schon auf der liste steht, aber nicht, wann es denn soweit sei. sie war als schwerstbehindert angemeldet (was sie schon lang nicht mehr ist). sie wurde gleich nach dem aufwachen aus dem künstlichen tiefschlaf dort angemeldet (das einzige, was sie damals schon konnte, war selbständig atmen). man hat kapfenberg über den zustand meiner mutter nicht weiter informiert, was schlecht ist, denn die wirklich stark behinderten patienten finden dort schwerer einen platz, es dauert einfach länger. die krankenschwester wollte von mir alles über den zustand meiner mutter wissen, wie weit sie schon ist und wie das denn so wäre mit der kurzzeitpflege. ich habe ihr gesagt, dass weder 24-stunden-pflege noch ein heim für mom in frage kommen. sie sagte, sie würde den ärzten alles berichten und ich solle hartnäckig sein und ein paar mal in der woche anrufen. aber am nächsten tag wurde mir mitgeteilt, dass kapfenberg mit dem lkh ein telefonat geführt hat. 


es geht ja doch

24-stunden-pflege und heim waren vom tisch. meine mutter darf nach hause und soll vom roten kreuz gepflegt werden, soll heissen, dass 2 x am tag eine hauskrankenschwester kommt und nach meiner mutter schaut. es sei denn, dass kapfenberg sie früher einberuft. und das war wieder ein problem, denn meine mutter muss ein paar wochen zuhause verbringen. sie ist müde, sie isst nicht viel, sie soll sich ausruhen, damit sie wieder durchstarten kann. man kann sich das eigentlich nicht aussuchen, aber versuchen muss man immer alles, also hab ich mich wieder ans phone gehängt und mit der dame von der reha geredet. sie kann nichts versprechen, aber sie versteht unsere situation und wird den ärzten wieder berichten. ausserdem wird das gebäude gerade restauriert und ein flügel geschlossen, sagte sie, also wäre es wahrscheinlich sowieso erst ab jänner möglich. das wäre perfekt.


und dann kam corona

meine mutter sollte heute entlassen werden, aber es kam anders. das lkh war plötzlich geschlossen, mein vater kam nicht mehr rein. man hat ihn angerufen, dass niemand das krankenhaus betreten darf. die dame, mit der meine mom das zimmer teilte, war schon abgeholt und nach hause gebracht worden. meine mutter hatte noch eine nacht im krankenhaus vor sich und wurde dann am 14. 12. nach hause gebracht. sie wurde nicht reingetragen, sondern konnte selbst gehen. am nächsten tag gab es schon essen auf räder für beide, krankenschwester und der mann vom roten kreuz waren auch schon hier, medikamente von der apotheke abholen, mom pflegen - alles läuft perfekt. nur hat meine mutter genug von der dauerpflege. sie möchte es endlich allein schaffen. sie hasst es, dass fremde leute bei uns zuhause sind und sie will ihr leben ganz zurückhaben. sieht wirklich so aus, als würde sie es schaffen. aber zuerst kommt die reha in kapfenberg, dann sehen wir weiter. nein, zuerst kommt weihnachten. dann der rest.