30.3.23

enriques welt


enrique war schon den ganzen tag sauer. er war meistens schlecht drauf - er hatte ja auch keinen grund, gut drauf zu sein. in seiner kammer unter dem dach zog es immer wie in einem rattenloch. diesmal jedoch war er besonders mies drauf, denn es regnete seit stunden und er hatte missmutig bemerkt, dass die wände seines verschlags immer feuchter wurden. 

in breiten rinnsalen strömte der regen über den bereits nassen verputz, der sich langsam von der wand ablöste und sich mit dem regenwasser zu weisslichen schlieren verband, und dieses eklige gips-wassergemisch hatte sich in grossen pfützen auf dem lückenhaften boden gesammelt. es tropfte durch den boden in die untere wohnung, die seit jahren leer stand. eigentlich, seit er im dachboden eingezogen war. beziehungsweise hier eingezogen worden war. er war hier oben völlig isoliert.


etwas gutes hatte der regen jedoch. enrique war imstande, sich nun eine tasse tee zu kochen. aus dem wasserhahn in der küche kam kein normales wasser mehr, nur noch ein bräunliches sumpf-ähnliches gebräu, das er schon trank, aber eben nicht gerne. er war jedoch weiss gott nicht heikel. seine schlechten erfahrungen hatten ihn gelehrt, dass es ihm nichts brachte, mimosenhaft zu sein. er besass die härte, den braunen sud zu trinken und sich natürlich ab und zu damit zu waschen.  obwohl er es tunlichst vermied, sich häufig zu waschen. die dusche im winzigen fensterlosen bad am gang knarrte und quietschte bei jedem waschgang  - das geräusch ging durch mark und bein und liess eine gänsehaut auf seinem rücken wachsen -  und ein beben ging durch die wände, wenn er das wasser anmachte. wo die uralten bleirohre durch die wände verliefen, beulte sich die tapete merkwürdig und die bleichen blüten blähten sich leichenhaft und abartig wie pralle tumore.

 

er warf einen teabag von anno schnee in das lauwarme wasser. seine kochplatte, die unter der riesendunstabzugshaube stand, war gerade sanft entschlafen und hatte sein frisches regenwasser nur noch lau gemacht, dann war es aus mit seiner unbeschreiblichen freude. enriques lebensgeister erloschen und er sackte in sich zusammen. er war nur noch fähig, mit leerem blick aus dem fenster zu starren und den tee gelegentlich umzurühren, was eigentlich nichts brachte, denn  zucker und milch hatte er ja nicht. der ausblick war sowas von öde. eine graue dachlandschaft und darüber noch grauere wolken.

passte farblich genau zu seinem tee. 


der schimmel blühte auf seinen wänden und bald würde er auch auf seinem bett blühen, denn enrique sah keine veranlassung, sein bettzeug, auf das es regnete, zu wechseln. solche lappalien kümmerten enrique nicht die spur. er war schlecht drauf.

er war so schlecht drauf wie noch nie in seinem leben, und das mochte was heissen. wenn er an den winter dachte, wurde ihm schlecht. erstens hasste er den winter (so wie jede jahreszeit) und zweitens würde es dann auf sein bett schneien, es sei denn...

...ja, es sei denn, ihm würde etwas einfallen. eigentlich war ihm schon etwas eingefallen, gerade vorhin, aber dieser plan erschien ihm doch zu gewalttätig. allerdings war es auch schon egal, was er machte, denn monströser als er konnte man sowieso nicht mehr werden.

er pflückte eine spinne von der wand und steckte sie sich in den mund. kaute drauf herum und überlegte. sein plan könnte klappen.

aber es wäre auffallend, wenn gleich eine ganze familie aus dem gemeindebau verschwand. seine familie.

er spuckte einen bräunlichen klumpen in den hof und stellte sich vor, wie er seine mutter am kopf traf. und wie sie zu seinem verschlag emporblickte, den kopf zwischen die schultern zog und leise vor sich hinfröstelte.

alles war ihre schuld. ihre verdammte schuld.


er hatte überhaupt keine gute erinnerung an sie. nicht eine einzige. er brauchte sich nur ihr verkniffenes mäusegesicht vorzustellen, ihr fahlblond und den gestank ihres billigen haarfestigers, die grellpinken lockenwickler und ihre ewigen wasserabweisenden schürzenkleider und er hatte wieder mal ein problem damit, einzuschlafen. den rest tat sein müffelndes bettzeug dazu, das eigentlich nie trocken wurde, denn es regnete seit tagen in kontinuierlichen intervallen.


enrique wurde langsam eine gestalt wie aus einem trashfilm, von flechten bewachsen, vom verputz weiss angebröselt

und vom regen immer wieder angepisst.

und enrique war schlecht drauf.


und das war schlecht, 

sehr, sehr schlecht.

 

29.3.23

reagan the possessed kid

 


geschaffen von manfred und lila
unter einfluss von einigen kleinen getränken
und dem heiligen geist




27.3.23

die zombie-schneekugel

 



selbst gemacht! in der guten alten zeit, als es leute gab, die snowglobes auf websites ausstellten und ... jetzt kommt's ... zur adoption freigaben. aber die schneekugeln waren etwas anders als meine, hähähä...



wo ist eigentlich das haar unter dem vielen spray?

 

wo ist eigentlich das haar unter dem vielen spray?

tja, weißt du, irgendwo wird’s schon sein, aber ich möchte es gar nicht so genau wissen.

ganz unten irgendwo.

igitt, das auch noch.

nee, ich meinte unter dem spray.

ach, du meinst, direkt an der kopfhaut?

also, wer braucht schon haar, wenn es spray gibt?

na irgendwo muss das spray ja halten.

eigentlich heisst es ja haarspray, also denke ich mal logisch, dass haar irgendwo mitspielt.

ja und wo?

ganz unten, sagte ich doch vorhin.

und übrigens, seit wann denkst du logisch?

igitt, ganz unten.

jetzt seid doch mal alle still, verdammt noch mal, ich muss mich konzentrieren.

seit wann denkst gerade du logisch, hä?

ganz unten, ja, das hättest du wohl gerne.

seid doch mal alle...

männer, pfah.

logisch? du? hä?

denken immer nur an das eine.

ich warne euch, ich muss nachdenken, und wenn ich nachdenken muss, dann muss stille herrschen.

SEID IHR ALLE INTIMRASIERT?

wer, verdammt noch mal, hat das gesagt?

NA? SEID IHR?

also, ich war das garantiert nicht.

ich sagte doch schon 2 x igitt, ganz unten. das reicht doch wohl. oder?

und ich muss nachdenken.

ach was, halt’s maul und lass das spray rüberwachsen.

ja, aber sprüh leise, ich muss nachdenken.


du lebst in deinem eigenen vakuum, ja, das tust du.

besser ein vakuum als haare am falschen platz und dann noch ungestylt.

na ich bitte.

alle männer sind so wie du. alle...

vakuumbewohner?

ne, schweine.

schweine im vakuum.

was mich zum eigentlichen thema zurückführt.

ja, hatten wir denn eins?

ein was?

also, ich hab immer eins, sonst könnt ich ja gar nicht leben. könntste ja gleich zu diesen banalos gehören.

also da erschiess ich mich doch eher. 

ihr habt es geschafft. jetzt weiss ich nicht mehr, worüber ich nachdenken wollte.

da erschiess ich mich, hörst du? vor deinen augen.

weißt du, dafür könnste auch ‘n paar meter weg gehen.

intimrasur!

spritzt ja, das blut.

igitt, schon wieder. igitt sag ich.

was haltet ihr eigentlich von nem kollektiven suizid?

unser heutiges thema lautet intimrasur, nicht suizid.

also darüber möchte ich nicht mal nachdenken.

vor euren verdammten augen geb ich mir die kugel. ehrlich, ich tu’s.

wer über intimrasur reden will, der hat ‘n derbes problem.

ach ja, ach ja?

und so ‘ne kugel im kopf, die entstellt aber, das kann ich euch sagen. da ist schluss mit ästhetik.

heut schon mal innen spiegel geguckt? hähä...

zu feige, um es zu machen, aber recht gross reden, das ham wir ja gern.

sag mal, du willst mich jetzt innen suizid hetzen, oder was?

ha, ihr angsthasen. seid fast wie spiesser. da kann unsereins nur lachen.

ein für alle mal: eher würd ich mich...

intimrasieren?

du hast ne fantasie wie ein geiler alter bock.

wer hetzt hier wen auf? ich sagte doch nur, dass du feige wirkst. auf mich zumindest....

und spiessig, was? ja? gib’s ruhig zu.

ja, das auch.

ist wohl gerade in, sich einfach mirnix dirnix umzubringen, aber ich denk‘ hier auch mal an meine eltern. was täten die sagen?

die ham nix zu sagen.

klar, du in deinem vakuum. du brauchst das alles nicht....

suizid kann gar nicht in sein.

du brauchst ja niemanden.

woher willst gerade du wissen, was in ist?

meine eltern zumindest würden trauern, bei euren bin ich mir nicht so sicher.

ja, da sollte man dabei sein können, bei seiner eigenen beerdigung.

bei dir geh’n eh nur spiesser hin.

da würd ich mich gleich noch mal erschiessen, obwohl ich dann schon tot wäre.


es hat ja alles keinen sinn mehr. wir enden sowieso alle als leichen. der eine etwas früher, der andere etwas später. irgendwann sind wir alle kompost.

pietätlos, das.

gruftis, kompostis, tot und vorbei.

aber vorhin gönnen wir uns noch was ganz besonderes. ne intimrasur.


seid still, alle. ich muss wieder nachdenken.