als wir damals in prag waren - es ist schon eine zeitlang her - da waren wir fest davon überzeugt, irgendwann mal als künstler zu leben. möglichst brotlos, versteht sich. beinah schon arm. denn irgendwie wussten wir, dass materielle armut einen nicht unbedeutenden beitrag einerseits zu sozialer romantik, andererseits zu der kreativen entwicklung eines menschen beiträgt.bitte jetzt nicht falsch verstehen- der gedanke ist radikal, aber es ist sicher einiges dran: gib einem menschen alles, was er möchte und du nimmst ihm die möglichkeit, für sich etwas zusammenzubasteln oder zu bauen, das im prinzip schon ein ersatz für das ist, was man für geld kaufen kann, andererseits so viel schöner, da unrund und niemals glatt. keine fabrik-arbeit. arbeit aus dem stillen kämmerlein. und genau dafür waren wir bekannt. dass wir beide im stillen kämmerlein dinge ausbrüteten und auch wirklich umsetzten. kreativerweise, versteht sich. keine schurkischen pläne oder verschwörungen. simple, kreative ideen, zuerst auf papier gebracht und dann in 3D, ganz und gar nicht virtuell, handgearbeitet. dinge zum anfassen. dinge zum erleben, zum überleben.
mütterchen prag nahm uns gnädig auf. es war tatsächlich liebe auf den ersten blick bei uns dreien. wir beide verliebten uns in prag und prag verliebte sich in uns. man merkt so etwas. eine stadt kann die hölle auf erden bedeuten, wenn sie dich nicht annimmt. eine stadt muss dich annehmen wie eine mutter ihr baby. und prag hat uns angenommen. adoptiert, sozusagen. in prag gab es wunder für uns. wunder, für die man nicht bezahlen musste. man musste nur die augen öffnen und schauen. prag am abend, kurz bevor sich die dunkelheit herabsenkt. goldenes licht fällt in die gassen, auf das kopfsteinpflaster. eine galerie, zu später stunde noch offen, man kann sie durch das fenster sehen - lachende menschen. um den künstler geschart, der an einem grossen tisch sitzt, um sich die freunde versammelt. und sind nicht alle, die seine kunst verstehen, seine freunde, vielleicht sogar die familie? man sah uns auf der strasse stehen, hereinschauen. einige kamen auf die strasse, gingen auf uns zu. "kommt doch herein", sagten sie.
und so ging es weiter, in prag, denn das mütterchen hatte vor, uns nicht aus ihren armen zu entlassen. ihre bewohner und wir, die besucher, die schon fast mehr waren (beinahe schon prager, zumindest in unserer fantasie) - wir alle fühlten diese ureigene schwingung, die durch diese stadt hindurchgeht, wie ein ton, den man nicht hören, sondern nur fühlen kann. ein dunkler ton, den ich auch in meiner seele finden kann, wenn ich endlich wieder leise und verinnerlicht genug bin, um ihn wahrzunehmen. ein lied. das lied einer stadt, die ein mysterium und für viele eine erlösung ist.