8.3.14
the blue flame of my heart
wohin führt dieser weg? ... nach hause.
meine heimat ist ein fremder ort. man erreicht ihn so gut wie nie. es ist ein ort, der hinter einem hohen zaun liegt und das tor geht so gut wie niemals auf. hinter dem tor befindet sich ein friedhof von gigantischen ausmassen, ich nenne ihn midian. an diesem ort lebe ich in meiner wahren gestalt.
tief ins gras geduckt liegt es im mondschein. es scheint verlassen, aber es wartet nur auf seine familie, die ausgegangen ist, um diversen aufgaben nachzugehen. bald werden sie wieder hier sein.
es liegt im mondschein und träumt vor sich hin, manchmal hält es auch ein kleines nickerchen. es ist noch sehr jung und schläft sehr viel.
im gras hat es ein gutes versteck gefunden, es ist wie ein nest oder bett, und dort liegt es, ein kleines geflecktes rehkitz. ein tier der anderswelt, deren symbol seit jeher das geweih eines hirschen darstellt.
manchmal nimmt das tier die gestalt einer jungen frau an, die nackt im gras liegt. die sich unter entsetzlichen schmerzen krümmt und vor sich hinweint und sich erst dann wieder beruhigt, wenn sie ihre eigentliche gestalt wieder angenommen hat.
die sonne verbrennt ihre haut. sie darf nie lang der sonne ausgesetzt sein, sonst stirbt sie. sie verbrennt.
sie liegt im sanften mondlicht und wartet auf ihre familie, die ausgegangen ist. wenn er wieder kommt, der dunkelste von allen, setzt er sich zu ihr und streichelt ihr fell, redet leise mit ihr. zusammen gehen sie spazieren, das kitz springt neben ihm her, um ihn herum. seine dunkle gestalt ragt hoch auf, seine gewänder wehen, er ist riesig gross.
wenn er bei ihr ist, ist ihre seele eine blaue flamme. wenn er da ist, ist sie am leben, in der totenwelt von midian.
niemand kann durch das tor. darum war midian nie hier. es kann einfach niemand herein. aber sie kommt oft ans tor, denn sie ist neugierig. man hat ihr eingeschärft, vorsichtig zu sein. man könnte ihr weh tun. trotzdem schleicht sie sich oft ans tor und hält ihre nase in den wind, wittert nach stimmen und gerüchen.
midian ist die verbotene stadt. hier leben auch nicht viele. die meisten gruften sind alt und verfallen - und leer. die meisten häuser in midian stehen leer. warum das so ist, weiss sie nicht, aber es ist schon lange so. seit sie existiert und lange davor. sie könnte ewig durch midian streifen und niemanden finden. es ist eines der geheimnisse von midian.
sie liebt ihre stadt. nie würde sie sie freiwillig verlassen. und dennoch war sie eine zeitlang weg - sie kann sich kaum daran erinnern, es war wohl nur wie eine art alptraum, den sie hatte. sie ist noch ein kind und hat viele alpträume. es wird vergehen, sagen sie ihr, wenn sie älter wird.
manchmal streichelt sie einem vorübergehenden übers haar oder berührt sein gewand. und sie hofft, dass man sie nicht fürchtet, für das, was sie ist. und dass man sie irgendwann ins herz schliessen wird, wenn man erkennt, dass sie kein monster ist. nur ein tier, ein rehkitz und manchmal eine blaue flamme.