27.12.20

Das verlassene Haus


An einem abgelegenen Ort stand ein Haus. Niemand schien darin zu leben, obwohl einiges von Bewohnern sprach – das Interieur war prachtvoll und gepflegt, doch es wirkte auf seltsame Weise unbenutzt. Ein stetiges graues Zwielicht, das seinen Ursprung mitten im Haus zu haben schien, überzog die Gegenstände in den Zimmern wie ein graues Laken. Das Haus, das Tag und Nacht nicht kannte, stand auf einem Hügel, der nur schwer zugänglich war. Es gab keine Strasse,  nur einen versteckten Pfad, der unkrautüberwuchert und von Dornenhecken und wildem Gestrüpp begrenzt in verschlungenen Windungen steil bergan führte. Man konnte den Windungen des Pfades bis zur Kuppe des Hügels folgen, ohne auf eine weitere menschliche Behausung zu treffen. Das einzige Bauwerk, das sich über die Wipfel der spärlichen Bäume erhob, war das verlassene Haus, das in grauer Einsamkeit vor sich hinzudämmern schien. Verirrte sich dennoch ein Besucher an diesen Ort, konnte er Raum um Raum durchmessen, ohne auf einen anderen Menschen zu treffen, konnten seine Schritte endlos widerhallen in labyrinthischen Gängen und Höhlen, Erdhöhlen und Stollen, die tief in die Erde führten, unter dem Haus, und ein Gewimmel von sich windenden Würmern mochte er finden...Maden..und zahllose Schnecken, die in Klumpen an den Wänden der Gänge klebten.


Oder er mochte geradewegs Raum um Raum durchschreiten bis zum hintersten Trakt des Gebäudes und sinnend vor der kleinen Holztür stehenbleiben, die neben dem prächtigen Interieur des restlichen Gebäudes beinahe obszön wirkte, wie eine Stalltür, und wie im Traum, ein wenig traurig, mochte er sich fragen, warum gerade er diese Qualen würde erleiden müssen, ein wenig lächeln würde er dann und ein klein wenig schluchzen, während Minute um Minute zäh und langsam verstrich, wie um seinen tiefen Schmerz zu verlängern.


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Dahinter. Hinter der Tür. Hinter der Vernunft.


Ein Bröckchen Opium sprühte in der Dunkelheit, sprühte wie eine Wunderkerze aus längst vergessenen Kindertagen. Und ja...er erinnerte sich, wie ein träumender Embryo, zusammengerollt im Schoße der Erinnerung, und für einen Moment, diesen einen Moment...war er geborgen und sicher in seinem brüchigen Haus der Vernunft.

Nichts von den Dingen hinter der Tür war echt.


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Er war zu Hause. Lag noch in seinem Bett und träumte. Es war gewiß ein unruhiger Traum, verwirrend, wie so oft in stürmischen, regnerischen Nächten und bald würde er das Geräusch des Weckers hören und erwachen. Zur Arbeit gehen wie an jedem Tag.


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Er starrte mit weit geöffneten Augen in die Dunkelheit. Vor ihm brannte ein Stück Bernstein in mystischem Gold, sprühte im Kaleidoskop seiner Tränen und zerplatzte in tausend blutige Glassplitter.

Nichts davon war echt.

Er würde erwachen, ganz gewiß.


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Er lief über ein verschneites Feld, das sich in gigantischer Dimension weit bis zum Horizont erstreckte. Sein Atem ging rasch und stoßweise, er lief. Schneller.


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In der inneren Kammer regten sich die Schatten. Eine graue Gestalt kauerte im Hintergrund an der Wand. Sie sah aus wie ein Bündel Lumpen oder eine in Fetzen gehüllte Puppe. Ihr strähniges Haar fiel bis zum Boden herab und verdeckte ihr Gesicht. Er starrte angestrengt in die Dunkelheit, versuchte, sich zu erinnern, doch da war nur


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das weite Feld, über das er rannte. Sein Atem ging zu schnell, seine Lungen brannten. Er brach mit einem Fuß durch die Schneedecke und stürzte. Mit nach unten gekehrtem Gesicht blieb er liegen. Er schluchzte in den Schnee, versuchte, wieder aufzustehen, weiterzulaufen.

Er konnte nicht mehr.

Mühsam hob er den Kopf und hielt sein brennendes Gesicht in den Wind.


Über den Horizont erstreckte sich ein Streifen blauer Himmel. Eiskalt strömte die Luft in seine Lungen. Sein Mund schmeckte metallisch. Er wußte nicht, ob er sich bei seinem Fall auf die Zunge gebissen hatte, oder ob es die Luft war, die nach Blut schmeckte. Metallisch und scharf wie Blut, das aus einer frischen Wunde fließt.


23.12.20

alec



[eine nacht in einem club von d.c.
steve und ghost besuchen ein konzert und lernen
jemanden kennen, mit dem sie absolut nicht gerechnet haben]

der text ist eine skizze. ich sammle (wort-)skizzen und (wort-)krizzeleien. das hier ist ein blatt aus einem collegeblock. manche wörter, wie z.b. "ghost", sind hervorgehoben, x-mal mit dem stift nachgefahren. manche zeilen sind rot geschrieben, aber das ist nur, weil mir der kulli ausgegangen ist. man sollte ein kassettentape hören und auf einem collegeblock kritzeln. es ist immer sehr entspannend.
wenn man das ganze noch nachts, vorzugsweise bei kerzenlicht, betreibt, 
macht man alles genau richtig.



der bassspieler übertraf alle, weiss goth, und da oben stand so ziemlich das bizarrste rum, was je gelebt haben mochte. die band war... insektenhaft. nicht gerade die biene maja-version. wie aus einer fernen galaxie, und spacig waren die töne, die sie produzierten. eine art spacepunk, der einem die gänsehaut über den rücken zog. ihre bewegungen taten ein übriges dazu. herausfordernd dem publikum gegenüber, aggressiv, voller hass
die reine wut, kanalisiert in eiskalte töne, klänge, die das herz gefrieren liessen.


der bassspieler grinste ins publikum, woraufhin einige elektrotanten, die am rand der bühne recht isoliert in einer kleinen gruppe beisammenstanden, hysterisch zu kreischen begannen. wohl sein eigener kleiner club der anbeterinnen, die sich so richtig in schale geworfen hatten (mansonettes wäre mal ein hilfsausdruck dafür... also mächtig böse kleine girlies mit mächtig bösen klamotten und alles in allem  nicht gerade das, was ghost als umgang bevorzugte)

bassspieler whoever, den namen wusste ghost nicht, grinste also besagte girlies freundlich an, viel zu freundlich, dachte ghost noch, und dann spuckte er direkt vor ihnen aus. na wunderbar. eine begann auch noch zu heulen, get a life, kid, und zeig solchen arschlöchern, wo sie hingehören. steve schüttelte auch schon den kopf, lachte aber gleich darauf wieder und zog an seinem joint. mann, stevie, wenn alle so breit wären wie du, das wär für diese insektenclone da oben auch nicht das wahre, dachte ghost. die brauchen wut, hilflose wut, davon ernähren sie sich... sieht man doch. wut und schmerz. und wut und schmerz erzeugen, das konnten sie.

bassspieler whothefuck war inzwischen auf der bühne ganz nah an ghost herangeschlichen und starrte ihm nun direkt in die augen. wohl auch noch gedankenleser. ghost wappnete sich schon auf einen sprühregen von spucke, doch der typ starrte nur und das war wohl das ärgste dran. er sah fassungslos drein, für einen kurzen augenblick, bis steves lachanfall ihn aus seiner trance riss und er wieder in seine rolle fiel. was, verdammt, war das wieder gewesen?
ghost drehte sich um und marschierte zur bar. in seinem rücken fühlte er noch immer den blick von dem ding auf der bühne, und er begann, leicht zu frösteln.


"sowas wie dich halten wir uns im keller, aber danke für dein angebot, wir kommen garantiert nicht darauf zurück". mit diesen worten, die menschenliebe erahnen liessen und dem girlie im schlepptau, das vorhin noch geheult hatte, dockte der bassspieler direkt neben ghost am tresen an. die tussi war geplättet. völlig am ende, und sie starrte ghost hilfesuchend an. goth, wie er das hasste! "sei doch mal freundlich, mensch, hier ist nicht die bühne, komm gefälligst runter!" seine worte waren raus, bevor er nachdenken konnte.
wieder dieser blick. fassungslose augen, dann ein unterkühltes schulterzucken und ein "sorry schätzchen" zu dem mädchen, das eingeschüchtert hinter ihnen stand. er starrte ghost an, hielt ihm dann die hand hin und meinte: "hi, ich bin alec."


und so kam alec ins spiel...

4.12.20


"Like a ghost-ship gull lost in a death filled desert,
Like an ossuary owl in wrack-filled ruins,
I call, fall, keep solitary deathwatch-beetle
Watch, a lone carrion-crow on a lonely cross.
My godless enemies mock me and make my dead name
A hellish curse. For bread, I eat pods, thorns, cinders;
Blood-tears salt my tainted drink."


From: Bloodwork, by Nathan Redman
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