sorry, ich hab leider den kürbis vergessen, aber ich mach sicher wieder mal ein foto von ihr. ich finde es so schade, dass mezco keine halloween-dolls mehr herstellt. ich dachte eigentlich, es würde jedes jahr eine geben. ausserdem vermisse ich die tollen särge. wer braucht die riesenschachteln? haben ja null ausstrahlung.
9.10.24
vesper
sorry, ich hab leider den kürbis vergessen, aber ich mach sicher wieder mal ein foto von ihr. ich finde es so schade, dass mezco keine halloween-dolls mehr herstellt. ich dachte eigentlich, es würde jedes jahr eine geben. ausserdem vermisse ich die tollen särge. wer braucht die riesenschachteln? haben ja null ausstrahlung.
16.6.24
In meinen Zimmern roch es nach frischer, kühler Nachtluft. Alle Fenster standen offen und die feinen Moskitonetze vor den Fenstern wehten im Luftzug. Ich war froh, daß Charlotte mitgekommen war. Die weißen Gespinste vor den Fenstern erinnerten mich an ihr Kleid und an ihre hüftlangen, hellen Haare. Eine Tiara würde ihr gut stehen, mit eisblauen Schmucksteinen. Ich wanderte langsam durch die Räume und ließ mich vom Nachtwind streicheln. Die Moskitonetze berührten sacht meine Arme, streiften an meinen Beinen, wie die Netze von grossen Spinnen. Der Mond stand am Himmel. Er leuchtete durch die weissen Stoffbahnen. Auf dem Boden bildete sich ein Pool von Licht, auf den Fensterbänken und in den Mauernischen funkelten die silbernen Kerzenständer und Bilderrahmen, die Tierschädelchen und Knochen schlummerten mondlichtübergossen in ihren Glaskästchen. Der sachte Luftzug ließ die winzigen Glöckchen und Glasscherben des Windspiels leise klingen und klirren. Vom geöffneten Fenster im Erdgeschoß drang Musik zu mir herauf und leises Lachen. Ich setzte mich in den Fleck aus Mondlicht auf den Boden und hörte nur zu. Geräusche lagen im Wind, die kamen von weit her. Das tiefe Atmen der Schlafenden, das leise Weinen eines alptraumgeplagten Kindes, Katzen auf den Dächern...das Flattern gigantischer Flügel. Manchmal hörte ich es, wenn die Nächte still und lichterfüllt waren wie diese Nacht. Ein Mann vor der Scheibe des Mondes, in einem schwarzen Mantel oder Cape. Traurigkeit ging von ihm aus und Lächeln. Vielleicht war er der Tod, der unterwegs war in solchen Nächten und ich konnte das Flattern seiner schwarzen Schwingen hören?
Ich suchte nach meinem neuen Tarotdeck, das irgendwo im Wohnzimmer sein mußte. Ein Vampirtarot, das wir heute einweihen wollten. Ich fand es schließlich auf dem Katafalk und nahm es mit nach unten, nachdem ich den Vogelspinnen einen Besuch abgestattet hatte. Die nachtaktiven, pelzigen Tierchen waren gerade dabei, zu dinieren. Die dicke Priscilla tat eigentlich nichts anderes als essen und schlafen. In meinem nächsten Leben wollte ich Priscilla sein. Nur hatte ich kein nächstes Leben mehr. Nur dieses, was mir aber völlig ausreichte.
Lila G. Pahr: Spookland
14.6.24
the lost
25.3.24
24.3.24
long way to go
menschen mit schädelhirntrauma "funktionieren" völlig anders als wir es gerne hätten. das muss man erstmal begreifen, erst dann kann man auf sie eingehen und macht nicht immer alles völlig falsch. in den letzten 3 monaten hab ich viel erlebt, vieles davon war schockierend, traurig, aber einiges davon auch wieder schön.
meine mom war nicht in der lage, auf reha zu gehen. ich glaube, das war der punkt, an dem ich gelernt habe, umzudenken. ich wollte sie ermutigen, anspornen, die positiven seiten erklären, aber es war nicht möglich. meine mutter ist jedesmal mental völlig zusammengebrochen. endlosweinen, zittern, den ganzen tag im bett liegen und schlafen. mehr war nicht möglich. ich hab gecheckt, dass man keine kraft aktivieren oder wecken kann, wenn keine da ist. da war nichts mehr. und so positiv alles um weihnachten herum war, so negativ ist dann alles geworden, wie ein negatives spiegelbild. wie willst du einem menschen helfen, der nichts will, ausser zuhause sein? der überhaupt keine anderen menschen mehr aushält ausser meinen vater und mich? menschen mit schädelhirntrauma haben so furchtbar viel angst. das können wir nur zum teil nachvollziehen. und wir mit unserer logik und unserem angelernten wissen, dass nichts so schlimm wird, können nur eins tun. endlich mal das maul halten und einfach nur zuhören. brutal ausgedrückt. wir füllen diese armen leute mit unseren meinungen völlig ab und die checken nicht mal die hälfte durch und vor der anderen hälfte haben sie eine sch*angst. wenn meine mom nicht will, dann hat sie ihre gründe und die haben wir zu respektieren, fertig. ausserdem konnte sie ja schon recht gut gehen, sie war ja in jeder hinsicht gut drauf. also habe ich kapfenberg angerufen und meine mom von der liste streichen lassen. die leute dort fanden es sehr schade, sie meinten, sie hätten gern das "gesamtpaket gestärkt" was eine super idee gewesen wäre, wenn meine mom mental in der lage gewesen wäre, das überhaupt auszuhalten. aber was willst du machen, wenn sie dann nach 2 tagen von dort wieder wegfährt und noch traumatisierter ist als zuvor? heilung wäre nicht möglich, es würde eher das gegenteil passieren. wenn es meiner mom nicht gut geht, dann isst sie auch gar nichts mehr. das wäre schlimm, denn sie war schon hauchdünn.
ganz im ernst - ich wollte sie nicht von der liste nehmen lassen. unsere ganze hoffnung war doch die reha! aber leider ist die realität manchmal so, dass nichts in unserer hand liegt und dass wir das akzeptieren müssen. konnten wir nach einer gewissen zeit auch. aber dann begannen die horrorwochen. meine mutter konnte nie durchschlafen, ist ununterbrochen in der nacht aufgestanden und herumgewandert, hat vergessen, den rollator oder den spazierstock von meinem opa zu nehmen, hat sich generell völlig überschätzt. es könnte sein, dass sie immer noch angst vor der reha hatte und beweisen wollte, wie gut es ihr schon geht, aber das ist sicher nicht alles. sie war völlig durch den wind. es gab keine ruhephasen mehr, sie hat sich hingelegt und 20 minuten später stand wie wieder in der küche. klingt harmlos, ist es aber nicht. sie war dauernd schwindlig und die sturzgefahr war sehr hoch. wenn sie dauernd rummarschiert und auf jedes hilfsmittel verzichtet, nichtmal dad ruft, damit er ihr hilft, könnte was schlimmes passieren. typische situation: mein vater kommt in die küche und sieht meine mutter dort seelenruhig am tisch sitzen mit einer tasse kaffee, die sie sich weiss der geier wie irgendwie gemacht hat. instantkaffee. man muss dafür den herd anmachen, und verdammt, ich wollte nicht, dass sie irgendetwas am herd macht. ich war ja über weihnachten zuhause bei ihnen und naja, es gab schon situationen, die sagen wir mal einigermassen fordernd waren, gelinde gesagt. ich beschreib mal eine davon. sehr unangenehm, ich mach das nicht sehr gern, aber irgendwie hilft es mir auch, darüber zu sprechen. es war am weihnachtsabend. wir hatten eine kleine bescherung (ich hab ein paar geschenke gekauft), dann gingen wir alle schlafen. ich war noch auf und hatte schmerzen - nix tragisches - ist eine jahrzehntealte arthrose im hüftgelenk und ich musste eben wieder mal condroitin einwerfen, damit die schmerzen weggehen. nur hatte ich grad nichts mit und konnte nicht richtig im bett liegen, jede bewegung tat höllisch weh. ich hab dann nach stunden die richtige liegeposition gefunden und wollte grad einpennen, als ich einen - wir österreicher sagen klescher - also einen riesenkrach im erdgeschoss hörte. ich wusste, dass meine mom umgefallen war, das klang genau so. ich bin aus dem bett gehechtet und die treppe runtergerannt und wär unten angekommen fast selbst umgekippt. sie lag auf dem boden vor dem bett und war recht gut drauf - hat sich nicht verletzt, nix passiert im prinzip. nur wollte sie nicht einsehen, dass sie nicht aufstehen und rumrennen soll. ich wollte, dass sie einfach nur ab und zu im bett bleibt, das hab ich ihr auch gesagt. die folge war...man kann sich's denken...weinen, weinen, weinen. nichts kapieren, sich völlig verkapseln und so gut wie niemanden mehr an sich ranlassen, in diesem fall nicht mal mehr mich. ich musste meinen vater aufwecken, weil sie sich von mir nicht aufheben liess und mein vater war in der vorigen nacht 6 mal wach und hat sie wieder ins bett gebracht. ich wollte ihn nicht wecken, musste es aber. er hat sie ins bett gebracht und ich stand draussen am gang und hab zugehört, wie sie über mich redet. ich soll einfach wieder wegfahren, sie will mich nie wieder sehen, sie braucht mich überhaupt nicht um sich, etc. waren alles sachen, die einem die seele zerstören würden, wenn man das alles ernst nehmen würde. tat ich aber nicht. ich wusste inzwischen schon einiges über diese verdammte hirnverletzung und dass die leute, die aus dem tiefschlaf zurückkommen, oft seltsames verhalten an den tag legen, oft auch nicht mehr sie selbst sind, also konnte ich das ganze recht gut verkraften. war aber das beschissenste weihnachten aller zeiten.
jetzt weiss ich noch mehr über die verletzung bescheid: diese weihnachtsbescherung war gut gemeint, aber schlecht für meine mom. sie war dermassen überfordert mit den geschenken, den vielen verschiedenen sachen. der denkprozess muss erst wieder schneller werden - er ist superlangsam und man kann z.B. nicht 2 dinge zugleich machen. ein geschenk hätte wahrscheinlich gereicht, aber mehrere haben meine mutter völlig fertig gemacht. einfach zuviel für sie. klar, dass sie dann hyperaktiv wurde. das hirn ist durchgedreht. sie hat ein paar stunden später übrigens alles vergessen, was sie über mich gesagt hat. einfach gelöscht, disen ganzen toxischen mist. gottseidank. mein vater hat mir erzählt, dass sie zu ihm auch solche dinge sagt. dass sie wünschte, sie hätte ihn nie geheiratet. schmerzhafte dinge, die sie sofort wieder vergisst. ist auch wichtig, dass wir diese dinge sofort wieder vergessen, denn sie sind nicht im geringsten wichtig. ich erwähne es nur, damit man sieht, wie heftig diese verletzung auf die psyche wirkt.
ich war 2 wochen bei den eltern, mein dad meinte, er würde zurechtkommen und ich müsste nicht mehr urlaub nehmen, also bin ich dann mal heimgefahren, absolut mit einem mulmigen gefühl in der magengegend. musste auch mal wieder arbeiten. wir haben uns angewöhnt, jeden tag 2 bis 3 mal miteinander zu telefonieren, damit ich immer weiss, wie es läuft.
horrorshow continues...
so gegen 7 uhr morgens läutete das telefon, ich dachte schon, es wär die firma (ich beginne täglich um 5 uhr im homeoffice und es ist nicht unüblich, dass um diese zeit schon wer anruft). war aber mein vater und er klang dead inside. er hat meine mutter ins bett gebracht, sie war supermüde und er wollte sich nur kurz die zähne putzen gehen. sie ist innerhalb von 10 minuten wie der blitz aus dem bett und wollte in die küche, "etwas nachschauen". vielleicht ob der herd abgeschaltet ist, keine ahnung, aber es muss wichtig gewesen sein. sie stand dann vor der spüle, ohne rollator oder stock, hatte nen schwindelanfall, ist umgefallen, mit der stirn gegen die spüle gekracht und auf den boden gefallen. sie hatte einen cut über der augenbraue. an dieser stelle blutet man wie ein schwein. jedenfalls mein vater kam in die küche und sah sie blutüberströmt am boden liegen. ihr ganzes gesicht war voll blut. er wusste zuerst nicht, was verletzt ist. sie hat speedig versucht, sich das blut mit einem geschirrtuch abzuwischen, damit er es nicht sieht, aber es kam jede menge blut nach. konnte kaum gestoppt werden. wieder mal rettung, krankenhaus, wunde musste genäht werden.
sie wollte oder konnte immer noch nicht begreifen, dass sie das alles noch nicht kann und eventuell nie wieder können wird, wenn sie so weitermacht. meine mutter war zu 100 % damit beschäftigt, sich selbst endgültig zu vernichten. 24-stunden-pflege war unmöglich, denn die wollten weder sie noch mein vater. die krankenschwester im ort wollte meine mutter absolut nicht (weinen, weinen, weinen), sie will nur, dass mein vater für sie da ist. und ich. mehr geht nicht. ein kurzzeit-pflegeheim kommt natürlich nicht in frage, das wäre das schlimmste. sie isst ja nichts, wenn sie sich schlecht fühlt. was bringt es, wenn man einen menschen noch weiterquält, wenn es ihm schon so schlecht geht? das hätte sie umgebracht. also mussten wir da jetzt durch. ich wollte sofort wieder zu den eltern fahren oder mein homeoffice übersiedeln, aber mein vater meinte, ich könnte jetzt grad nicht helfen und soll schauen, dass ich meinen job behalte. wenn ich dauernd weg bin, könnte ich probleme kriegen. jeder hat also das gemacht, was gerade zu machen war. irgendwie ein bissschen wie roboter. mehr ist auch nicht drinnen. man tut das was nötig ist, völlig dramafrei, emotionen sind nicht mehr so wie früher, alles wird ein bisschen flacher und dumpfer.
mehr horrorshow...
meine eltern waren am abend in der küche und haben sich lang unterhalten, alles war scheinbar ok - mein vater wollte meiner mutter helfen, aufzustehen, ihr wurde schwindlig, sie ist umgekippt, er versuchte sie festzuhalten, ist auch umgekippt und dann war er da, der oberschenkelhalsbruch bei meiner mom. wie erwartet. meinem dad ist nichts passiert, bis auf blaue flecken. tja. so sieht das dann aus, wenn nichts mehr möglich ist. meine mutter hätte 24-stunden-pflege gebraucht, aber zwing mal wen. es wäre nicht für immer gewesen, nur für ein paar wochen. wollten beide nicht, ich durfte es nicht mal erwähnen. nichts, gar nichts, war möglich. keine pflege, keine reha, gar nichts. nur endloser endloser frust. meine mom ist operiert worden, war 2 wochen im krankenhaus, hat dort nichts gegessen... ich glaube, das ganze hätte besser laufen können. aber man darf nicht vergessen, jeder ist eben die person, die er ist, verallgemeinern bringt gar nichts, ausser noch mehr frust.
zuhause angekommen war meine mutter nur noch mit schlafen beschäftigt. gut für die verheilung des knochens, aber irgendwie war es schon seltsam. die ärzte haben nur gesagt, sie bräuchte viel schlaf, das hirn muss sich erholen. schon irgendwie logisch, aber irgendetwas stimmte da nicht. der schwindel, der war seltsam. dieses plötzliche unvermögen, den körper zu beherrschen, als würden alle muskeln versagen, das kam doch recht oft vor. ein paar wochen später, als ich wieder urlaub hatte (diesmal eine woche) konnte ich mir das ganze genauer anschauen, denn diese seltsame sache passierte direkt vor meinen augen. und ich glaube, ich weiss, was sie hat.
zuerst nur schnell: ihre lebensqualität hat sich durch den sturz verschlechtert, wie man sich denken kann. aufs klo gehen war nicht mehr drin, das lkh hat uns nen leibstuhl geborgt (jawoll, es ist übel, aber es gibt sicher schlimmeres), wir haben aber auch ihre toilette umgebaut für später, sie hat einen höheren sitz, und wir sind überhaupt recht emsig damit beschäftigt, aufzurüsten. alles, damit mom sich festhalten kann und nicht mehr stürzt. jedenfalls. ich wollte erzählen, was an diesem abend passiert ist, als ich glaubte verstanden zu haben, worum es geht. kleine vorgeschichte: mom sollte zum röntgen gebracht werden. das ganze war ja kein prob, paar minuten, dann wär sie wieder zuhause. mein vater wollte sogar in der rettung mitfahren. mist war, er hat es ihr zu früh vorher gesagt. eine woche vorher, locker. meine mutter konnte das nicht aushalten, wieder rettung, wieder krankenhaus und diese irrationale angst, nie wieder aus dem krankenhaus rauszukommen, hat ihr den geist völlig vernebelt. sie wurde immer depressiver, auch aggressiver, hat gebettelt, um hilfe gerufen (wollte, dass ihr ihre eltern helfen, denn wir würden es ja nicht tun), hat stundenlang in der nacht geweint, etc etc. man muss sich vorstellen, wie es ihr geht. sie war 6 wochen im künstlichen koma. die ersten erinnerungen in ihrem neuen leben sind die vom krankenhaus, von pflegern, ununterbrochen fremde menschen, angst, schmerzen. sie wollte einfach nur zuhause bleiben. ihr trauma ist, dass sie weg muss von zuhause. aber wir konnten ihr nicht helfen, denn das bein musste geröngt werden. wenn der bruch falsch zusammenheilt, muss das bein nochmal gebrochen werden und nochmal zusammenwachsen. röntgen muss leider sein, und niemand konnte meiner mutter helfen, leider. ich bin dann auf die glorreiche idee gekommen, vorübergehend psychopharmaka einzusetzen. glorreich war zynisch gemeint. denn wow. ein mittel, das uns der arzt verschrieben hat, war dermassen hardcore, dass wir es sofort wieder entsorgt haben. potentielle nebenwirkungen: partieller sehverlust, spontane knochenbrüche ...ja genau, das braucht meine mom dringend ... suizidgedanken ... nein vielen lieben dank. wir griffen also zu einem milden mittel aus der apotheke zurück, ohne ärztl. rezept, nämlich passedan, das nicht mal so übel ist. bei den nebenwirkungen steht nicht allzu viel, also dachten wir, wir geben ihr 3 x täglich 1 esslöffel voll. am morgen und zu mittag lief alles gut, sie gewöhnte sich sogar an den geschmack. dann der abend. zuerst natürlich ihre kleine tablette, die sie jeden abend nimmt (am morgen kriegt sich mehrere grössere, am abend nur die winzige) und dann das löffelchen passedan. ich war schnell oben im ersten stock, krieg einen anruf, war mein dad dran. nur war mein dad im erdgeschoss. die küchentür war zu, also konnte ich ihn nicht hören. ich sollte schnell runterkommen, meine mom hat eine art ohnmachtsanfall und er kann sie nicht mehr lang halten. ich runter wie der blitz und da lag sie halb im küchensessel, augen zu, wirkte eigenartigerweise einigermassen tiefenentspannt. sie wäre wirklich vom sessel gefallen, wenn wir sie nicht gehalten hätten. irgendwann konnte sie die augen öffnen, aber nicht reden. die motorik kam irgendwann wieder, aber sehr langsam. die muskeln arbeiteten dann wieder einigermassen, die sprache kam auch langsam wieder, aber mir kommt vor, dass sie kaum etwas sehen konnte. mich erkannte sie überhaupt nicht mehr. sie sagte "sie" zu mir und hielt mich anscheinend für eine art krankenschwester oder ärztin. sie mochte mich aber recht gern. hat mir viel von ihrer tochter erzählt und meinte, ich würde mich gut mit ihr verstehen. sie wollte auch viel über meine lebensumstände wissen und hat versucht, mich zu überreden, dass ich in die nähe ziehe (sie dachte, ich würde in wien leben). ehrlich, es war grauenhaft. ich hab mitgespielt, so gut es ging und mich mit ihr unterhalten. mein vater hat inzwischen den arzt verständigt, der dann auch bald kam. es bestand der verdacht auf schlaganfall, aber das war es nicht, alles ok. das passedan hatte anscheinend eine wechselwirkung mit der winzigen weissen tablette. wir drei, der arzt, dad und moi haben meine mom dann ins bett gebracht. alles gut.
nur seltsam war das schon. das passedan ist ein mildes beruhigungsmittel und ich weiss nicht, vielleicht ist die winztablette auch beruhigend, ich möchte das noch checken. sie nimmt sie vor dem schlafengehen ein. meine mom konnte die augen eine zeitlang nicht öffnen, obwohl sie es versucht hat. sie hat sich bemüht, zu reden, aber es ging nicht. sie ist nach hinten gerutscht und hatte keine muskelkontrolle mehr. sie war völlig verwirrt und kannte mich nicht mehr und sie hat kaum was gesehen. ich hab recherchiert. der zustand meiner mutter dürfte "brain fog" sein. sie leidet anscheinend an fatigue. fatigue ist mehr als nur müdigkeit, viel mehr. es ist wie eine bleierne decke über körper und geist, habe ich gelesen und genauso hat es bei meiner mom ausgesehen. brain fog tritt auf, wenn man sich z. b. völlig übernimmt. und er tritt oft bei schädelhirntrauma-patienten auf, hab ich erfahren. wenn leute mit dieser verletzung sich übernehmen, bei manchen reicht sogar ein telefonat aus, dann kann diese schlimme verwirrtheit entstehen. meine mutter hat eine woche lang versucht, den drohenden röntgentermin abzuwehren, sie hat sich damit völlig verausgabt. ich glaube, ihr hirn war nur damit beschäftigt, eine möglichkeit zu finden, nicht wieder ins krankenhaus zu müssen. man muss verstehen lernen und man muss akzeptieren lernen. das ist extrem schwer.
es geht ihr inzwischen schon wieder viel besser. sie überschätzt sich nicht mehr und sie lässt sich helfen ich habe einen rollator für draussen bestellt - der für drinnen gehört dem lkh und den wollen wir nicht schmutzig machen - ausserdem habe ich sicherheitshalber eine sensor-trittmatte bestellt. sollte meine mutter schlafwandeln (kommt vor) oder wieder mal "etwas nachschauen müssen", dann haut es meinen dad aus dem bett. es kommt ein signalton oder auch ne mukke direkt aus einem lautsprecher neben dem bett und er hat auch etwas, das man sich an den gürtel clippen kann und das wie ein kleines handy aussieht. damit kann er auch in den garten gehen - die reichweite ist 100 meter. wir haben griffe für die dusche bestellt, die hammergut sind-man muss nicht bohren, weil sie saugnäpfe haben. und die halten viel aus. ich hab ne frau gesehen, die an diesen griffen über ne wand hochklettert. nicht dass meine mom das versucht, aber wer weiss. scherzchen.
und weiter geht es, tag für tag, langsam kommen die emotionen wieder normal raus, weil wir's uns erlauben können, es tut nicht mehr zu weh. meine arthrose ist fast weg, schmerzen werden wahrscheinlich wieder ein bis 2 jahre kein thema mehr sein. meine mom könnte es ohne reha schaffen. auf ihre weise. ich glaube, es geht gar nicht anders.
5.2.24
The Milky Way
Er wachte auf, ging in die Küche hinunter, nahm sich ein Glas kalte Milch, setzte sich an den Küchentisch und trank das Glas leer, füllte es wieder auf, trank erneut, diesmal in einem Zug, stand auf, nahm sich gleich die ganze Packung, trank sie aus, riss die nächste auf und trank und trank, bis die schlierige Flüssigkeit aus Mund und Nase quoll und Pfützen auf dem Tisch bildete, die er gierig aufschlabberte wie ein Hund.
Zu viel Milch und immer noch durstig. Wie ein brennendes schwarzes Loch in seinen Eingeweiden.
Er hatte die Kühlschranktür offen gelassen, das kalte Licht liess seine Augäpfel wie Murmeln aus Milchglas schimmern oder wie gefrorenes Speiseeis. Die Milch in seinen Eingeweiden erstarrte zu einer dickflüssigen klebrigen Masse, seine Augen schillerten insektenhaft, sein Bauch blähte sich wie ein Ballon.
Er sah sich träge um, erhob sich mühsam und stakste auf seinen spindeldürren Beinen zu dem alten Küchenkasten, den er vorige Woche leer geräumt hatte.
Sogar die Regalbretter hatte er entfernt. Ächzend hob er ein Bein und stellte es hinein, dann das andere, bis er schliesslich im Küchenkasten stand, leicht gebückt, den aufgeblähten Bauch wie eine Trommel vor sich hertragend. Mit lautem Ächzen bemühte er sich, die Tür des Schrankes mit seinem ausgestreckten Arm zu erreichen.
Seine Finger krallen sich in das Holz der Tür und er zog sie langsam zu sich heran, sie quietschte widerstrebend und liess sich kaum bewegen oder war es diese plötzlich auftretende immense Müdigkeit, die ihn seiner Kraft beraubt hatte?
Er musste jetzt schlafen, lange schlafen, doch zuvor musste er sich seinen Schafplatz richten, einen weichen, seidigen, milchigweissen Kokon, der alle Geräusche der Aussenwelt sanft von ihm fernhielt.
Die Tür drückte gegen seinen prallen Bauch, den er nicht mehr einziehen konnte, er quiekte protestierend und stampfte mit den Füssen auf, doch als er sich mühte, gelang es ihm schliesslich, sie ganz zu schliessen. Das letzte, was er sah, bevor sie mit leisem Knacken ins Schloss fiel, war das Licht, das wie ein Milchstrahl aus dem Kühlschrank in seine Augen drang, und sie wie Insektenaugen schillern liess.