5.4.23

einwörtig


also, ich hab diesen stadtpark satt. so satt, sag ich dir.


ja.


„was ja? ich mein, kannste nicht mal nen richtigen satz zimmern? immer diese eintönigkeit hier bzw. einwörtigkeit, das hält ja keiner richtig aus. klasse wortschöpfung übrigens. haste bemerkt? ja? haste? einwörtigkeit, ich mein‘, wenn das jetzt vom kontext getrennt gesagt wird, dann versteht keiner, was ich damit meine, nur ich. und das zieht sich schon durch mein ganzes leben. 

ich bin wohl sowas wie’n verkanntes genie, sowas wie h.c. artmann, solltest du den kennen. h.c., wie seine engsten familienmitglieder zu ihm sagen durften und wohl auch ‘ne handvoll freunde, aber die anderen, die leser, seine fans, die mussten herr artmann sagen, was schon etwas herb war, weil die stehen dir ja auch recht nahe, die leser, fast wie 'ne kleine familie, die du da hast...


h.c. also. ich nenn ihn jetzt h.c., weil er sich eh nicht wehren kann. du weißt ja, dass er tot ist, oder? also, wenn wir den heute noch beschwören sollten, bei ‘ner scéance, dann nenn ich ihn korrekt herr artmann, man weiss ja nie, wie das sonst ausginge. ach übrigens, woher ich das weiss? wie ihn seine verwandten genannt haben? meine sitznachbarin in englischer idiomatik, du weißt schon, dolmetschinstitut, lang ist’s her, also die war seine nichte oder grossnichte, was weiss ich, und ich war vor ehrfurcht ganz hinüber, erstarrt, was sag‘ ich – eingefroren – seine nichte... h.c.s nichte sass neben mir, am liebsten hätt‘ ich sie ausgequetscht wie ‘ne zitrone, du kennst mich ja – mach ich ja immer. wenn ich’s so recht überlege, ich denk‘ grad ein paar jährchen zurück, dann hab ich sie wirklich ausgequetscht wie ‘ne zitrone, ich hab‘ sie gelöchert mit fragen über h.c., das arme ding, jetzt die nichte, nicht h.c., der war nicht arm bzw. man weiss ja nicht, aber jetzt fällt es mir wieder ein – hab ein hirn wie ein teesieb – er mochte niemanden so recht leiden, meinte sie, und ich dachte noch, der arme mann, der kann auch keinen leiden, der ist so wie ich.

ich kann ja auch kein aas leiden, du kennst mich ja – der alte soziopath und menschenfeind, echt gruselig, meine seelenverwandtschaft zu h.c., und nun beginne ich auch schon mit eigenen wortschöpfungen, wenn mich das nicht berechtigt, ihn h.c. zu nennen, was dann, hä?

soll ich mir ‘nen bart wachsen lassen?


*tiefer zug aus dem joint*

weißt du...

*sieht sich angeekelt um* 

...ich verabscheue diesen stadtparkt über alles, er ekelt mich an. man fühlt sich hier so unheimlich fehl am platze, oder? so ausgekotzt. ich mein‘, du siehst ja sonst auch immer recht gesund aus, aber hier...hier wirkste richtig blass und alt. verfällst vor meinen augen. du ärmster. lass uns aus diesem widerwärtigen grün verschwinden und in ein café gehen. damit wir reden können. 

*packt den fahlen mann am ärmel*

...so richtig reden, über alles. hier fühlt man sich so...beobachtet. ja!

hinter jedem baum könnt‘ einer stehen. lauern, weisste? auf leute wie uns. denen’s grad nicht gut geht, und wenn die sich nicht mehr wehren können, dann gute nacht. obwohl...nach geld sehen wir nicht gerade aus, vor allem du nicht...ist ja ‘ne richtig gute masche, hut ab...

*macht schwenkbewegung mit imaginärem hut*

...aber was hilft es dir, wenn da draussen ein irrer lauert? dem ist es doch scheissegal, wie du aussiehst, der knüppelt sogar nen punk nieder wegen nix und punks sehen nun wirklich nicht nach geld aus. ist ja auch nicht alles im leben. viel, aber nicht alles. tröstlich, oder?

mann, siehst du scheisse aus. geht’s dir so schlecht? musst du kotzen? ich warte einstweilen hier.

*deutet auf parkbank*

also, ich mach’s mir gemütlich und du gehst deinen geschäften nach. aber pass auf, hinter welchen baum du gehst. möcht‘ mit dir ja noch im café weitertratschen, also huschhusch, ab hinter’s bäumchen.

*lacht schelmisch*

tschüssi.


*ruft ihm noch nach*

sag, hasst du diesen ordinären stadtpark auch so immens wie ich?


ja.


*fahler mann verschwindet hinter dem baum*


immer diese einwörtigkeit, man möcht‘ meinen, der macht das absichtlich, um mich zu ärgern, aber klasse wortschöpfung, fast wie bei h.c.

*lächelt verschwommen*


*punk will vorbeigehen*

sag mal, haste ne zigarette für mich? und feuer? und sag mal, findest du diesen stadtpark auch so absolut abstossend?