29.6.19

töten alle lust

logbuch | dienstag, 13. november 2001


es gibt einen platz da draussen, wo wir hingehören. manchmal denke ich, ich weiss genau, wo der ist, aber dann verschwindet er wieder aus meinen gedanken, wahrscheinlich dann, wenn die welt zu laut und aufdringlich wird. wenn die welt nur aus lauten tönen besteht und aus reissenden schmerzen, die wie ein roter schleier durch meine gedanken gleiten, dann ist dieser platz nicht mehr fühlbar, er wird schon noch da sein, irgendwo ganz hinten in meinem kopf, verdrängt von einer vielzahl von verwirrenden einflüssen.


dieser ort ist zu still, um die laute welt zu übertönen. das hat er auch nicht nötig. denn immer, wenn die nacht hereinbricht, wenn die abenddämmerung kommt und der himmel langsam von grau überlagert wird, bis alle farben sanft erloschen sind, ist er plötzlich da, der ort, wo ich hingehen muss, weil ich keine andere wahl habe, wohl auch, weil ich nie eine andere wahl wollte. im grauen himmel der abenddämmerung steht ein wort, hingehaucht, in den farben von regen und asche, es lautet ‚remember‘. und dann wird es still. wenn die dunkelheit das leben zudeckt, das leben auszulöschen scheint, dann erwachen die anderen. es gibt einige, die sich an belebten, lauten orten treffen, um die nacht zum tag werden zu lassen, sie brauchen licht und lampen...viel künstliches licht, damit die dunkelheit in ihre schranken gewiesen wird. damit der mensch sich immer noch sagen kann, er könne sich überall gefahrlos aufhalten. die vielen lichter in der nacht haben jedoch keinen einfluss auf die tatsächlichen vorgänge, die regelmässig ablaufen und von den eingriffen der menschen nichts ahnen. manchmal muss ich lachen, wenn ich daran denke. so wie heute, wo mich dieser gedanke zwar nicht zum lachen, sondern eher zum lächeln bringt. ich denke mir, dass wir etwas daraus lernen könnten...ist es nicht so, dass man erst das glück gefunden hat, wenn man von den menschlichen tätigkeiten nichts ahnt? das glück der engel...von diesen eingriffen in die wahre natur der welt, die so primitiv und brutal sind, dass man von zerstörung und vernichtung sprechen könnte, nichts ahnen zu müssen...der mensch ist es gewöhnt, zu vernichten. alles, was menschen tun, was sie immer getan haben und immer tun werden, ist es, zu vernichten. erst die distanz zu ihnen lässt uns (über)leben. manche schaffen es nicht. man kann sehen, wie sie enden...vielleicht waren sie immer schon taub und blind für die tatsächlichen vorgänge hinter dem dünnen schleier, wahrscheinlich haben sie das gebrüll der menschheit viel zu ernst genommen. ich jedenfalls weiss, dass es sich wie das gebrüll von wilden tieren anhört und ich beginne, in die stille zu lauschen, um etwas zu hören, das beinah unhörbar ist. man muss sehr gut hinhören, um es wahrzunehmen. man möchte sich verändern, sich der umgebung anpassen, eine form der evolution durchlaufen. diese art der mutation scheint auch zu funktionieren.


die sinnesorgane entwickeln sich weiter. manchmal erträumt man sich flügel. sie wachsen in der abenddämmerung und man behält sie solange, wie die dunkle welt existiert. das sonnenlicht des morgens, das mir ekel einjagt und mich beinahe zum kotzen bringt, lässt mich gnadenlos abstürzen. es ist grausam, dieses licht und die wimmelnden, tobenden menschen jeden tag erneut erleben zu müssen, aber ich glaube, es führt zu nichts, wenn ich mich nun selbst betrauern würde. ich fliege eben mit unterbrechungen – und man kann ja auch einen beträchtlichen teil des tages verschlafen (ich zumindest, da es meine arbeit zulässt). natürlich würde ich am liebsten den ganzen tag verschlafen – ich träume jedenfalls oft davon. man müsste schwarze vorhänge haben – und schalldichte fenster...kein laut soll hereindringen. alles soll dunkel und still sein. vielleicht brennt ein winziges öllicht an der wand oder ein kleines, rotes grablicht und verbreitet diesen sakralen, beinahe schon ordinären geruch, den ich so liebe. dieser geruch ist sex pur. vielleicht halte ich mich deswegen auch noch manchmal in kirchen auf – vielleicht brauche ja auch ich noch eine art der sexualität... kirchen stinken. sie stinken ordinär wie sakrale bordelle, die uns manchmal durchaus zum verweilen einladen...kirchen und leichenhäuser, wobei ich mich bei letzteren jedoch zurückhalte. ich weiss, was sich gehört. und niemand soll von mir behaupten dürfen, ich sei nekrophil....ich interessiere mich für diese bizarre deformierung des menschlichen sexualverhaltens, das gebe ich schon zu. kranke, sieche perversionen empfinde ich als unterhaltsam, ich neige jedoch dazu, mich eher distanziert zu verhalten. der wurm, der das innere dieser bedauernswerten kreaturen zerfrisst, soll niemanden von uns befallen. trotz der beschäftigung mit dem übel sollte man extremen wert auf gesundheit in jeder form legen, körperliche wie geistige. dennoch ist es unangebracht, sich zurückzuhalten...man kann durchaus im dreck wühlen, solange man selbst nicht schmutzig wird.


ich musste gerade an dieses interview denken, das ich online in irgendeinem der vielen goth zines gelesen habe. anscheinend war diese geschichte die vorlage zum film ‚kissed‘, einem meiner lieblingsfilme, vielleicht sogar mein liebster, bis auf weiteres. die frau, die ihre geschichte zum besten gab, ist dermassen krank und widerwärtig, so degeneriert, dass man durchaus einen leichten anflug von ekel verspüren kann (was dann und wann ebenfalls ein feines erlebnis ist). ich frage mich, wo die frau mal landet. natürlich im gefängnis, wenn sie so weitermacht, oder im irrenhaus...aber das meinte ich eigentlich nicht damit. was geschieht mit solchen kreaturen, wenn sie selbst sterben? natürlich finde ich dieses jetzt immens witzig. ‚wie du mir, so ich dir‘, heisst es ja, oder ‚was du anderen antust, das wird auch dir geschehen‘ (oder so ähnlich). dann wäre die logische konsequenz ihres bizarren treibens natürlich, dass sie selbst nach ihrem tod von irgendeiner kranken kreatur vergewaltigt wird, oder ‚geliebt‘, wie sie es voller gefühl und herzeleid zum besten gab. sie liebt die toten. bis der geruch unerträglich wird. irgendwo habe ich gelesen, dass es leute gibt, die die toten mit nach hause nehmen und waschen, sie ankleiden und mit ihnen reden, ja, sogar mit ihnen flirten. das ist sogar für mich etwas zuviel...wenn ich mir vorstelle, dass dieses ungleiche pärchen zusammen am tisch bei kerzenlicht sitzt...sie isst, er sieht zu... ich finde es langweilig, wenn nur ich rede. auch das ist ein guter grund dafür, nicht nekrophil zu werden. ich höre gerade die stimme meines gewissens: ‚mach dich nie über geisteskrankheiten lustig‘...ooch. das mache ich aber schon die ganze zeit. zumindest, seit ich über die menschheit nachdenke. ich überlege gerade, was ‚gewissen‘ überhaupt sein soll. wie ist ‚gewissen‘ eigentlich beschaffen? das sind doch all jene inhalte, die uns unsere erzeuger sowie die anderen ‚erziehungsberechtigten‘ geradezu eingeprügelt haben. eine angelernte sammlung von possierlichen verhaltensmustern, die der perfekten anpassung an die menschheit dienen, die uns helfen, nicht zu bestien zu verkommen, die sich eventuell über geisteskrankheiten lustig machen, anstatt mitleid zu heucheln und den armen kreaturen unverzüglich helfen zu wollen. ich gebe ehrlich zu, dass ich nicht im traum daran gedacht habe, der nekrophilen frau aus dem interview zu helfen. so, wie sie es gerne hätte, dass man ihr hilft, kann man es ohnehin nicht tun...das würde bedeuten, den pfad der legalität zu verlassen und ihr beim leichenraub zu helfen....oder zumindest schmiere zu stehen (was für ein genialer ausdruck!), wenn sie gerade beim geliebten einsteigt. ich frage mich, ob sie es mit sezierten kadavern auch treibt. vielleicht gerade dann – ich habe das interview gelesen...sie ist wirklich krank.


in der goth-szene, zumindest in der amerikanischen, galt es vor einiger zeit als chick, sich mit nekrophilie auseinanderzusetzen. wahrscheinlich hat ‚kissed‘ den ‚hype‘ ausgelöst – man stelle sich vor: den ‚nekrophilie-hype‘...ich kann nur von mir sagen, dass der film schon ziemlich überzeugend war. er transportiert dieses gewisse versonnene gefühl, ein verwaschenes, traumähnliches gefühl, das einen extremen gegensatz zum eigentlichen, knallharten thema darstellt... ein traumwandlerischer gang durch lichterfüllte tage, ohne die schattenseiten wirklich zu zeigen, ein sonderbar märchenhaft leichter film. vielleicht war es diese form von geisteskrankheit, die die sich gerade in diesen szenen offenbarte? vielleicht hat die frau genau das gespürt...oder gesehen, wer weiss. die wirklichen schattenseiten kamen erst in dem interview zu tage, als sie beschrieb, dass sie sehr wohl wüsste, dass die leute sie schon beobachten würden, aber dass ihr trieb schon zu stark wäre, um sich dagegen zu wehren. sie wusste, dass es probleme geben könnte und sie hatte natürlich auch angst, verhaftet zu werden und in irgendeine anstalt zu kommen. und trotzdem musste sie diesem trieb nachgeben. ich glaube, ich würde mich nur noch hassen. ich hasse es, die selbstkontrolle zu verlieren und einer primitiven, archaischen regung nachzugeben. sex ist eben archaisch und ich will es nicht mehr sein, versuche mein bestes...auch eine art der perversion. ‚töten alle lust‘. ist das jetzt eine band oder der titel einer cd?


‚töten alle lust‘ ist erotisch. warum auch immer. alles, was ich erotisch finde, steht in diesem satz. ich finde mich in diesem satz. warum ich mich dann mit den abseitigen, dunklen seiten der menschlichen seele/sexualität beschäftige? vielleicht aus abenteuerlust, vielleicht brauche ich diesen kick, immer wieder verbotene, gefährliche dinge auszugraben und mich an ihnen zu delektieren wie an einem alten, verdorbenen wein. doch wer könnte von diesem wein lange trinken, ohne dass er ihm auf den magen schlagen würde? ich gestatte mir die kleine perversion, mich an gift zu delektieren, an kleinsten portionen nur...ist es nicht so, dass man immer eine kleinste dosis gift zu sich nehmen soll, damit man am ende gegen dieses gift wirklich immun ist? ‚töten alle lust‘ scheint das resultat davon zu sein.



uralter gruftitext aus meiner extremsten zeit
manches (sicher nicht alles) gilt aber immer noch,
vor allem der teil über die stille


nachtrag: ich habe sehr viel später gelernt, dass man das, was ich bin, als "ace" oder "neutrois" bezeichnet und genau dieser text stammt aus einer zeit, in der ich noch nichts darüber wusste, nur fühlte und sozusagen blind durch ein labyrinth laufen musste. es hat mir nicht geschadet, aber lustig ist was anderes.

24.6.19

Atemlos

Die Hecken, an denen ich entlangging, die Efeuranken und dornigen Rosensträuche, die schmiedeeisenen Zäune, die hohen, dunklen Bäume und die alten Villen hier oben am Hügel, alles glitzerte. Eine gleissende Welle kühlen Lichtes erfasste mich plötzlich, legte sich über den Hügel und seine engen, gewundenen Strassen. Für einen winzigen Augenblick wurde die Welt durchsichtig, als würde sich ein luftiger Vorhang heben. Dahinter schien alles gleich zu sein, jedoch nur beinahe. Das Leben war aus der Welt gewichen, das atmende, der Zeit unterworfene Leben, wie es sich täglich in seiner Entsetzlichkeit zeigt. Das Leben war gewichen und war dennoch da, es hatte sich nur gewandelt. Die Zeit war stehen geblieben und ein Kontinuum hatte sich geöffnet, ein anderes Raum-Zeit-Gefüge, das sich hinter dem uns bekannten, von uns erzeugten befand. Hier glänzten Wassertropfen auf dornigen Ranken, dort wiegte sich ein Blatt im Wind, gehüllt in eine Aureole aus kühlem Sonnenlicht und ich sah das wahre Gesicht der Dinge, als ihnen die frische, kühle Brise, die uns überschwappte, das Leben nahm.
Den ewigen Dingen wohnt eine Starrheit inne, die zutiefst beruhigend ist....nicht erschütternd oder gar schrecklich, wie ich früher dachte, sondern vertraut, als wäre jede Art der Bedrohung verschwunden. Und ich wurde ich selbst, wuchs zu mir selbst heran, meine Seele ist wahrhaft grösser, als ich dachte. Hier liegt sie in Ketten, doch dort streift sie frei durch verwilderte Gärten, bestaunt die mystische Natur der Dinge und atmet frei die kühle, golddurchwirkte Luft.
Als die Zeit stehenblieb, hauchte die Natur lächelnd, dankbar den Odem eines falschen Lebens aus...so auch ich...und als ich später in den Spiegel blickte, sah ich eine blasse Frau mit Haaren wie Rabenfedern und grossen, schwarzen Augen, aus denen, trotz Tageslicht, der Mond leuchtete.
Ich sah eine dunkle Nixe, eine Zauberin, Poetin, ein träumendes, dunkles Geschöpf und in dem Augenblick wusste ich, dass mir die Sprache untertan war, sie war mir gegeben, als die Dinge hinter unserer entsetzlichen Auffassung der Wirklichkeit ihr Gesicht zeigten.
Führt uns unser Heimweh an die Pforte dieses lächelnden Todes?
Meine blasse Hand öffnet ein schmiedeeisenes Tor, dahinter wartet das Kind, das ich einmal war, ein kleines Mädchen mit grossen, schwarzen Augen, von Mondlicht...dunkles Wasser...“und ich weiß...“, wir sehen uns an und verschmelzen, aus der Umarmung zweier Wesen wird eins und das lächelnde Kind der Trauer spielt wieder hinter dem Tor aus Schmiedeeisen, wo es niemand stört.
 

14.6.19

impressionen von der künstlichen stadt auf den hügeln



diese landschaft dort oben am hügel ist eine durch und durch künstliche. ein komplex von alten und neuen gebäuden, funkelndem glas und stahl, neben alten behäbigen steinernen bauten, die wie riesengrosse villen aussehen. der komplex bildet eine stadt in der stadt mit einer ganz eigenen ausstrahlung. cool mit all den monitoren, die verschiedene blickwinkel der stadt wiedergeben, ein summen und brummen ab und zu wie von computern
computerkunst und kunst in 3 D, virtuelle realität und kunst zum angreifen, bieten sich dem besucher der stadt beinahe beiläufig dar
ein langer weg wie eine brücke zwischen gebäuden mit fassaden wie aus opakem glas, kühl, die farbe eine winterliche art von eisgrün...unwirklich...die fassade, dahinter ein himmel von strahlendem engelsblau, weiß bewölkt


zwischen eisgrün und engelsblau führt die brücke in eine parklandschaft mit darin verstreuten würfelähnlichen gebilden in bunten farben
violett hauptsächlich aber auch grün und pink
daneben täfelchen wie in einem botanischen garten
die aussenhaut der würfel leuchtet
computerbilder vom menschlichen körper
knorpelmasse und ein innenohr
knochen muskelfasern
der boden ist gefroren und morgendunkel, der himmel strahlt, doch der boden atmet noch die kälte der nacht aus
man träumt sich kameraaugen, um das fotografische tagebuch zuhause mit bildern füllen zu können doch man ist gezwungen, vergängliches zu akzeptieren
ein, zwei bilder brennen sich ins gedächtnis, wo sie jahrelang gespeichert bleiben, um plötzlich, unerwartet, wieder emporzusteigen
ein, zwei bilder gekoppelt mit starken gefühlen, die jahre später dem erinnernden scharfe tränen in die augen treiben werden
die brücke zwischen eisgrün und engelsblau
wie fröhlich man zwischen alter und neuer kunst zu wandeln vermag...switch on...switch off...heiter schimmernde insekten-facettenaugen nehmen schönheit auf, knipsen bildchen für den temporären erinnerungs-ordner, der stetig geleert wird

was bleibt von einem spaziergang übrig außer diesen schnell gezeichneten wort-bildern
nicht viel außer einem unbestimmten gefühl der fröhlichkeit und ein, zwei bildern von engelhaftem schönheitsschmerz
impressionen von der künstlichen stadt auf den hügeln
ein künstlicher see fehlte noch mit monitoren am ufer und alten bäumen, des meisters echte kunst
das alte trifft das neue, vermag es zu umarmen, anstatt es von sich zu stossen
die harmonie erstaunt, macht betroffen
ein weiter blick hinunter in die welt, die noch im morgenschatten liegt, offenbart vertrautes
inmitten hoher bäume schlummert weit unten der stille hain
der alte friedhof, auf dem man wandelte, als man dem ruf der müden seele folgte, die träumen wollte
anders träumen als auf den hügeln der künstlichen stadt
endgültig zielgerichtet
die wahrheit liegt dort unten
im schattigen garten


tanzen möcht ich nicht mehr
sprach das einsame mädchen auf den hügeln
und wandte seinen schritt
langsam
endgültig
dem schattigen tale zu
von eisgrün und engelsblau träum ich nicht mehr,
mir ist nach tiefem ernstem schwarz
lächelte der totenkopffalter
einst schillerndes schwirrendes insekt...
seine flügel breitete er aus
in samtigstem schwarz
und langsam wurde er fortgetragen
es war einfach, nur hinabzuschweben
in das schattige tal
und er sank hinab


© shine

6.6.19

self design

and everyone wears a mask
ich bin nicht so wie ich gern sein möchte. ok, wer ist das schon?
nur weiss ich nicht genau, wie ich sein möchte. klingt abartig. ist es aber nicht, glaube ich. das ganze geht ins unterbewusstsein rein und dann beginnt man sich irgendwann zu schämen, für das, was man gern sein möchte und nie sein wird oder vielleicht hat man angst, das alles laut auszusprechen und quasi zu analysieren, weil man ja genau weiss: was laut ausgesprochen wird, wird zerstört, in dem moment, wo man es ausspricht und dann ist alles tot, wofür man im prinzip schon noch lebt nur weiss man es nicht. dass man jahrelang für etwas gelebt hat, ohne es auszusprechen.
also ist diese rubrik hier schon mal sinnlos. man kann nicht aussprechen, worum es geht. man darf nicht aussprechen, was man gerne wäre (oder ist) und wofür man im prinzip lebt. ich denk, es ist auch so ein dilemma, wenn man echt mal starke depris hat und dann zum arzt muss. dem erzählt man einiges. zu viel? gibt es das dass das was rausrutscht, das man besser nie erwähnt hätte, und dass dann irgendetwas in einem für immer stirbt? oder was geschieht während einer hypnose? ich finde hypnose ekelhaft, ich weiss nicht, ob ich hypnostisierbar bin (denke nicht), aber ich finde sie einfach nur abartig ekelhaft. wie eine vergewaltigung, obwohl man eigentlich im prinzip damit einverstanden sein muss, aber wer weiss so genau, worauf er sich einlässt, wenn er einer hypnose zustimmt? ich denk im prinzip mal, dass ärzte nicht so viel wissen wie sie vorgeben zu wissen.
dass sie ganz wenig wissen und nur an der oberfläche kratzen. darum würd ich nie psycho-hilfe einholen, auch wenn ich wirklich extrem krank wäre. ich rede jetzt wirklich nur von psycho-hilfe.
gibt es barieren, die man während einer hypnose nie überschreiten wird? gibt es dinge, die nie ausgesprochen werden?
gibt es die geheimnisse wirklich, von denen ich als kind genau wusste, dass es sie gibt? dass es sie geben muss.
wann kommen diese dinge an die oberfläche? wann klopfen sie an die tür nach "draussen" (was auch wieder ein witz ist, so intro wie ich die welt da "draussen" empfinde). ich glaube, das geht nur, wenn man kreativ ist. schreiben, malen singen..sowas eben.
im alltag dürften wir alle autisten sein. vielleicht haben wir begriffen, dass wir autisten sein müssen. dass wir sonst an etwas verrecken, das sich in unsere seelen schleicht und das unsere träume nach und nach auffrisst. ich denke, dass es genug menschen gibt, die uns genau das antun wollen. uns auffressen, warum auch immer. wenn man das gefühl hat, dass es so ist, sollte man ganz einfach dicht machen und gar nichts mehr von sich preisgeben, man sollte die masken benutzen, die man selbst erfindet, um sich zu verstecken. es gibt nur wenig leute, die es wert sind, uns zu kennen. daran glaube ich ganz sicher. die meisten sind gierige kleine heuchler. ich kannte mal einen, der wahnsinnig nett war. immer aufmerksam, auf wirklich auffallende art mir zugewandt, fast schon fixiert, und dahinter konnte ich etwas anderes fühlen, eine art schwarzes loch. es klingt wie ne verschwörungstheorie und ich wünschte, es wäre eine, denn dann wäre ich besser drauf. er wollte immer mehr dinge wissen. private dinge. seelendinge. geheimnisse, die nur ich kenne, weil sie nur mein leben betreffen. ich war nur noch abgestossen. wenn ich wem was erzählen will, dann mache ich das freiwillig und es gibt freunde, die mit mir wirklich fast alles teilen, sogar geheimnisse. der typ war aber ein fremder, der sich langsam aber sicher als total aufdringlicher parasit entpuppte. er machte mich müde. klar, er versuchte, mich zu berauben. auch meine energie, alles wollte er.
ich hab seither viele getroffen, die so drauf sind. früher sind sie mir eigentlich auch nie besonders aufgefallen, diese komischen, kleinen widerlinge, doch wahrscheinlich hab ich sie einfach nie getroffen. eine art emo-vampir war das, so sagt man, denk ich. ein kerl, der sich daran aufgeilte, fremde gefühlswelten in sich reinzustopfen. warum weiss ich nicht.
dass sowas spass machen kann. vielleicht ist es eine art manipulations-geilheit. leute, die wen anderen kontrollieren wollen. scheint die irgendwie anzumachen. ich hab den kerl dann mal entsorgt und nach einer zeit ging es mir tatsächlich besser. ich war einfach besser drauf, fühlte wieder, dass ich privatsphäre hatte, eben ein leben nur für mich. ich teile mein leben so gut wie nie....
and everyone wears a mask

hab kein bedürfnis danach, ehrlich nicht. freunde...ok. weniger als ne handvoll. ganz wenig. 2, um genau zu sein. 2 beste freunde. die kennen mich so gut, dass sie mich im prinzip auswendig kennen. was für mich das schönste ist, was ich mir vorstellen kann. meine 2 alten freunde. unsere gemeinsame welt. unsere abenteuer, unsere träume, die wir teilen. das leben, das wir zusammen führen.
für mich ist es was ...mh...naja...krass...heiliges. etwas unantastbares. hat was mit liebe zu tun, ihr wisst schon. echte freundschaft, und die gibt es wirklich, aber eben eher selten. ich hab mich umgesehen. es war nicht gerade berauschend. ich hab ne menge verrat gesehen bzw. gefühlt.
und ich war immer dankbar dafür, dass ich sie habe, meine 2 seelenverwandten. wär nicht so lustig ohne sie.
die 2 leute wollen nichts von mir, soll heissen, nicht mit gewalt, überhaupt nicht, die sind nur froh, dass ich da bin. aber sie kriegen alles.
freiwillig. es gibt leute, bei denen man genau fühlt, dass sie etwas mit gewalt wollen, man fühlt eine art alten instinkt, der ne eindeutige warnung ausspricht. dann gibt's nur eins: nix wie weg.
vielleicht bin ich schon so, wie ich sein möchte. vielleicht sollte man sich selbst manchmal einfach nur in frieden lassen. nur froh sein, dass man da ist, wie die besten freunde, die man hat. einfach nur froh sein, dass man am leben ist, das wär doch mal ne wirklich schöne sache. jeden tag geniessen, bzw. es wirklich mal versuchen. ohne aggression oder verachtung oder was man sonst immer für dinge mit sich rumschleppt. es gibt immer dinge, die wirklich schön sind, an jedem tag. warum nicht einfach versuchen, glücklich zu sein? die welt ist scheisse und verdammt mies, das ist die wahrheit und ich bin der letzte, der das verleugnen würde.
ich hatte genug hass in mir die letzten jahre, und genug angst vor krankheiten und genug schmerz und bitterkeit.
dad war wirklich verdammt schwer krank und hatte einige operationen, mom ist ein lkw ins auto gedonnert, dieses jahr war das , vor ostern.
beide sind am leben und es geht ihnen gut.
in unserem garten tobt gerade der feuerbrand und vernichtet unsere wunderschönen, alten obstbäume. es tut weh, das zu sehen. verdammt weh. wir sehen bäume immer irgendwie als familienmitglieder. aber was bringt es, das ganze aufzugeben? also planen wir schon weiter. welche bäume resistent sind, und wahrscheinlich werden es nussbäume. sind nussbäume nicht einfach nur traumhaft?
eigentlich freu ich mich schon drauf, auf diese bäume, die immer toller werden, je älter sie sind. vielleicht seh ich jetzt alles so.
zumindest geb ich mir richtig mühe.
ausserdem hab ich einige alte briefkontakte wieder reaktiviert. sind brieffreundschaften nicht das beste, wo gibt? vor allem, wenn es alte brieffreunde sind, denen man schon unheimlich viele, lange briefe geschrieben hat, und von denen man noch alle briefe aufbewahrt hat.
ich find es sch****, sowas aus faulheit oder müdigkeit einfach aufzugeben. gehört doch zur identität dazu, oder? es gibt tatsächlich leute, denen ich seit über 10 jahren schreibe. sowas find ich wichtig, möcht's nicht missen. kann ich mir gar nicht vorstellen.

nachtrag - ist ein alter text. brieffreundschaften hab ich keine mehr, aber wirklich noch ein paar gute, alte freunde :)

3.6.19

compadres, auf das niemandsland!


compadres, saints und sinners, "virtuelle wesen", ich muss hier meiner seele luft machen.
wie wilde hunde jagen wir einem gefühl hinterher und wir sind nicht mal fähig, dem gefühl nen namen zu geben. wir tauchen ein in virtualität und wenn es uns dann wieder mal so richtig scheisse geht, sagen wir wie um uns "trost" zu spenden - na dann wenden wir uns eben wieder dem richtigen leben zu.
komisch nur, dass es uns nach eíner gewissen zeit dann auch wieder scheisse geht. und wir hetzen wie ausgehungerte hunde wieder durch die strassen und jagen einem gefühl nach, von dem keiner weiss, was es ist. das gefühl macht uns irre. die unvolkommenheit des augenblicks lässt uns vor wut rasen.
ich meine, leute, was soll das ganze. der zustand ist dermassen unbefriedigend, dass mich das kotzen kommt. der virtuelle raum und das echte leben getrennt voneinander, ganz säuberlich getrennt, nur nie vermischen, nur nie eine symbiose eingehen, nie die verschmelzung wagen. ich meine, was ist denn die virtualität anderes als unser natürliches umfeld? woher stammt sie denn? von ausserirdischen auf die erde gebracht, um uns daran zu hindern, uns im echten leben fortzupflanzen?
ein programm, das uns schaden soll, da alle wie hypnotisiert vor ihren compis hocken und das sogenannte soziale leben völlig vernachlässigen?
und da hocken wir wieder in irgendeiner bar in der innenstadt. freunde, es handelt sich um kein internetcafe, sondern ne good oldfashioned bar irgendwo in der city und da hocken wir und stellen fest, dass wir verdammt viel getrunken haben, nur, damit wir es überhaupt ertragen, was da um uns geschieht. wir wandeln weiter in ne disco und halten uns an getränken fest. versuchen, das alles auszublenden - oh gott, wenn ich an meine sozialen aktivitäten denke, wird mir einfach nur schlecht.
wir gehen heim und heulen in unsere kopfpolster. wir gehen heim und haben nichts gefunden.
zu finden, das ist die devise. zu finden, egal wo. im "real life" oder im internet - es geht darum, zu finden. nicht rumzuhängen und sich gottverdammt normal vorkommen, ja...weil's alle so machen. es macht uns verdammt normal: wir gehen aus. wir sitzen rum und es ist langweilig. die seele hat nix mehr zu melden. aber wir sind normal.
das ist die hauptsache.

und wenn jemand jetzt meint, was verdammt sollen wir denn finden, dann soll er mal seine seele suchen gehen, denn die dürfte ihm im laufe seines lebens abhanden gekommen sein.
wenn ich das schon höre: sie flüchten in virtualität. dann wird mir übel, sag ich euch. es gibt keine flucht vor uns selbst, das sollte uns jetzt schon mal klar sein. oder wovor sollte man denn flüchten? vor unseren lieben mitmenschen hier auf erden? gott, wie langweilig. die sind so drauf, dass ich sie nicht fliehe, sondern einfach mal ignoriere, es sei denn, sie stellen mich vor die interessante aufgabe, ihre seelen wirklich erkunden zu wollen, da sie es wert sind. wir flüchten nicht.
wir haben es nicht nötig. wir sind wilde hunde, die durch die strassen hetzen. wir haben zerfetzte herzen. wir heulen noch immer den mond an.
compadres, trinkt mit mir. trinkt soviel ihr mögt, aber macht es nicht, weil euch mein gesabbel abnervt. trinkt mit mir, weil ihr unglücklich seid, trinkt mit mir, weil ihr unglücklich bleibt. trinkt mit mir auf unsere unvollkommenheit und auf unsere kreuzigung im niemandsland zwischen real life und virtualität *grinst spöttisch*
trinkt mit mir auf das niemandsland, auf den heiligen boden. vergiesst euer blut dafür. opfert euer leben dafür. werdet zu heiligen des niemandslandes.
öffnet eure augen und seht genau hin: alles ist fleisch und blut, euer fleisch, euer blut.
so viele machen nen abgang. nach hinten. sie wenden sich ab und verlassen den heiligen boden. ihr heulen verhallt im nebel des vergessen-werdens. ihre spuren werden von der zeit verwischt. sie leben endlich wie normale menschen!*lacht* sie haben keine chance mehr. gar keine.
viele reden nicht mehr, weil sie angst haben, sich zu blamieren. sie denken schmerzhafte gedanken - allein. sie fühlen schmerzhafte gefühle - allein!
gefühle, gedanken, die wir hier brauchen!
sie haben uns allein gelassen!
und ich hasse sie dafür. so viele sah ich kommen und gehen. so viele, die uns einen teil ihrer selbst - für uns hier ein weg, weiter zu wachsen - verweigert haben.
so viele, die nicht begriffen haben, dass egoismus uns hier umbringt.
lasst mich einen vergleich wagen: die stadt...über uns. wir leben unterirdisch in tunnels. wir haben diese welt für uns erschlossen, weil sie uns am wenigsten verarscht.
wir haben nur uns. unsere gedanken, unsere gefühle. wir sind davon abhängig. und dann kommt wieder einer und sagt: hey, leute, schön und gut, aber get a life...
da oben in der stadt, die uns immer nur verarscht hat, so lange wir dort lebten. ich meine, er zieht den hut vor uns und sagt: ihr seid idealisten, kompliment, aber
get a fucking life.
ich sah den einen kerl, der das gemacht hat, leute, als ich nächtens mal wieder die stadt besichtigte. hey, leute, er sass an der ecke einer einkaufsstrasse und er schlief dort. er hatte tränenspuren in seinem dreckigen gesicht und er hatte nen bettlerhut vor sich stehen.
compadres, trinkt mit mir. trinkt auf den heiligen und noch jungen boden. trinkt auf die heimat, die so unvollkommen ist wie wir selbst. und bitte - get no life - ihr habt eines.
 ihr teilt es mit mir. ich teile meins mit euch.
auf euch, ihr gesellen. ihr gesellen, die zu mir sagen, hey, shine - eigentlich hab ich flügel, nur kann sie keiner sehen. ich sehe sie. auf euch, die mir sagen - hey...eigentlich bin ich ganz anders als es die welt da draussen sieht. fuck die welt da draussen. ich seh dich.  du brauchst dich nicht dafür zu entschuldigen.
entschuldigen müsstest du dich, wenn du zu mir sagen würdest: hey shine, hör auf, dein blut zu vergiessen und get a fucking life.
was seid ihr? erzählt von euch. was seid ihr, compadres? im niemandsland ist jeder so, wie er eben ist. keiner, der darüber lachen würde oder dämliche ansagen liefert.

manche sagen, warum reicht es nicht aus, ein mensch zu sein?
es ist zu einfach. es ist zu wenig. es fühlt sich grauenhaft falsch an. mensch gut und schön. nur: die evolution hat auch vor dem menschen nicht halt gemacht!
sie findet in uns statt - man kann es kaum sehen *g* aber sie findet statt. ok, ich bin ein mensch. gut? aber trotzdem...warum renne ich durch die strassen wie ein ausgehungerter hund und heule meine sehnsucht in den mond?
dann muss ich verrückt sein, oder? ein einfaches weltbild, wie geschaffen, den rest von uns auch noch zu töten. sei endlich ein normaler mensch, erwarte dir nicht mehr als deine vorväter, wachse nie, lerne nie. bleib so wie alle vor dir waren. und wenn du nicht so funktionierst wie alle anderen, biste verrückt und musst begradigt werden.
vereinfacht werden. damit du in einer welt funktionierst, die für dich zu einfach ist, die einfacher ist als du selbst. und damit du mit einfachen menschen "mithalten" kannst.
compadres, lieber sterbe ich.
non servam. :)
niemals werde ich ihnen dienen. niemals ihnen das vergnügen machen, mich zu einem der ihren gemacht zu haben und mir ins gesicht zu pissen, wenn ich endlich am boden liege.
land der rebellen, heiliges land,
alle freiheit dem geist
wir sind, was wir sein wollen
und was wir sein wollen, sind wir


[archangel bar]







nachtrag:
und wenn du nicht so funktionierst wie alle anderen, biste verrückt und musst begradigt werden.

ich konnte nicht umhin, zu bemerken, dass wir uns anscheinend gerade wieder mal in silent hill befinden, und zwar im brookhaven sanatorium. wo man versuchen wird, unseren geist zu begradigen, nachdem er inzwischen so derb verwuchert und verwachsen ist wie ein wilder garten, doch wie schon friedensreich hundertwasser damals zu sagen pflegte:

die gerade linie ist gottlos und unmoralisch

so viel zum begradigten geist :)