18.4.20

stairway to heaven

die nacht ist kalt. ich bin zu leicht angezogen, der wind dringt durch meine dünne jacke. darunter trage ich nur ein t-shirt. der wind hat was schneidendes, er kommt aus einem dicht bewölkten himmel, das kann ich trotz nacht gut erkennen. der mond leuchtet. das licht ist kalkig weiss und weckt assoziationen mit blanken knochen. der knochenmond grinst auf mich herab. meine klamotten sind weiss vom verputz der mauer, an die ich mich lehne. ich weiss es, ohne hinzuschauen. aber ich hab nicht den geringsten impuls, das weiss von meinen klamotten zu entfernen. ich trage es als zeichen meines eindringens in diesen totengarten. als geheimes zeichen. ich trage einen teil einer alten gruft mit mir spazieren und ja..die vorstellung gefällt mir. ich möchte heute nacht viel blut verlieren. genug, um weiterleben zu können. nicht genug, um zu sterben.

ich erwäge kurz, mir die pulsader auf der linken seite aufzuschneiden. quer natürlich. quer bedeutet krankenhaus, längs leichenschauhaus. weiss heutzutage jedes kind aus den suizidforen. der wind scheint kälter geworden zu sein. ich blicke zum himmel, er hat einen grauen schimmer. wie stahl, der hinter einem seidenschleier liegt. etwas beisst sich in mein gehirn und weiter nach innen, hinein in meine seele. ich weiss heute werde ich viel blut verlieren und dafür werde ich noch viel mehr geschenkt bekommen. einen blick in eine welt, die verboten ist. hinter den seidenschleier, dorthin, wo der schimmernde stahl schon auf mich wartet. eine klinge, die mich aufschlitzen wird. ich werde dinge spüren, gefühle haben, die kein mensch normalerweise hat. ich werde vielleicht die unfassbare blasphemie erleben, für kurze zeit die gedanken eines engels zu teilen, seine energie aufzunehmen und sie zu trinken, bis ich endlich wieder mein wahres ich fühlen werde. ich werde dafür leiden. ich werde deswegen ausgestossen sein. ich weiss es und ich werde es dennoch tun, weil ich es ganz einfach tun muss.

du wirst den menschen ein fremder sein, sagt er. sie werden dich solange du lebst nicht als ihresgleichen erkennen. du wirst die hölle der einsamkeit erleben und daran zugrundegehen. seine weiche stimme ist hinter dem schleier, hinter dem grau schimmernden stahl. ein weg, der so weit ist, dass mich schwindelt. und doch so nah, nur einen gedankensprung.

stairway to heaven