es gab doch tatsächlich zeiten, die es im grunde gar nicht gab. zeiten ohne irgendeine nennenswerte beschäftigung, zeiten, die vergangen wie etwas vergeht, das hohl und nichtssagend und ohne inhalt ist, und sie war das gefäss, das diese nichtssagende und hohle leere enthielt, von zeit zu zeit. ein gefäss, das nichts enthält, ist wohl eine paradoxe angelegenheit. es steht herum und ist einfach nur da, doch der eigentliche zweck des gefässes wird nicht erfüllt. und so misst man das gefäss dann an seinem aussehen. denn es ist ja leer, der eigentliche sinn des gefässes, das beinhalten, wird nicht erfüllt. so kam es dann, dass man gefässe nach ihrem aussehen beurteilte. entspricht es der allgemein akzeptierten norm der ästhetik? geht es sogar darüber hinaus? oder ist es auch äusserlich nichtssagend und öde? dann muss das gefäss ganz weit weg gestellt werden, am besten gleich weggeworfen. es beleidigt das auge. und sinn hat es noch dazu keinen.
und so kam es dann also, dass menschen
einander nur noch nach ihrer äusserlichen form zu beurteilen
begannen. manche fragen sich noch immer, wie es dazu kam. sie
verstehen nicht, dass der sinnn eines gefässes das bergen von inhalt
ist. sobald das gefäss diese bedingung nicht mehr erfüllt, gelten
andere masstäbe.
jeder für sich, und doch für alle. es
ist ganz einfach. man fülle das gefäss bis zum rand und man soll
nicht ruhen noch rasten, bis wirklich das ganze gefäss gefüllt ist.
man soll suchen und vielleicht sogar unter schmerzen suchen – zu
viel leere ringsumher – eine suche wird unter garantie nicht
einfach und der suchende wird phasen des schmerzes und der schwäche
erleben. dann einmal, ganz plötzlich, wird man eine veränderung bei
sich wahrnehmen, die ungeheuer gross ist. man sieht ganz urplötzlich
in andere hinein und man sucht nach dem sinn dieses gefässes, man
sucht den inhalt und das optische tritt zurück, denn es ist nicht
mehr das hauptkriterium beim beurteilen von anderen. und so kommt es
dann, dass menschen die grösste evolution selbst erzeugen, eine
evolution, die nur dem menschen selbst möglich ist, kein tier
gleicht ihm jetzt noch. er sieht an verzierungen und farben und
ornamenten vorbei, er beachtet sie nicht. er sieht etwas, das besser
ist. wahrscheinlich wird er dann von sich behaupten, dass er gerade
glücklich ist und worte werden fallen, die er zuletzt als kind
verwendet hat. worte, die ihm endlich wieder gerecht werden, nach
denen er gesucht hat, die ganze zeit lang.
ich breche eine lanze für den
menschen. er ist tatsächlich schön. wenn er sich selbst eine chance
gibt und seine schönheit nicht hinter falschem tand versteckt.
ich sehe meine grossmutter, sie ist 94
jahre alt. manchmal, wenn wir ins gespräch vertieft sind, geschieht
etwas, das so wunderbar ist. sie ist eine alte frau und dennoch
wieder nicht. denn sie spricht davon, wie es ist, die nase in den
frühlingswind zu recken und zu schnuppern und von den ersten
veilchen, die unter den hecken geblüht haben und die sie mit ihren
freundinnen gepflückt hat. und plötzlich ist er da, der wind, der
vom rhein her weht. ich sehe den grossen, breiten fluss und meine
grossmutter als junges mädchen, ich sehe, dass die müdigkeit ihren
blick völlig verlässt, und sie nimmt mich mit, ich bin wahrhaftig
dort mit ihr, ich bin ein spiegel und mehr noch, ein anderes gefäss,
das diesen inhalt in sich aufnimmt und birgt. wer könnte wirklich
behaupten, dass andere kriterien als diese gelten sollen? wer misst
diesen menschen an seinem alter, an den falten, die er im gesicht
trägt? wer versteigt sich dazu, zu behaupten, ein alter mensch hätte
seine schönheit verloren? weil seine haut gealtert ist? weil sein
körper der natur unterworfen ist? ein teil hingegen ist nicht der
natur unterworfen. das, was den menschen erst zum menschen macht. genau dorthin führt mich meine suche. es ist ein weg voller mühsal
und doch, wie reich wird man beschenkt. den menschen, sich selbst
eingeschlossen, nicht als parasiten oder krebsgeschwür zu sehen, ist
ein teil davon.