5.9.18

r.i.p. shine



"i'm deranged". bowies stimme lag noch immer wie ein nachhall im raum. shine wischte sich über die augen. grinste kurz und murmelte: "auf ein neues", und stand langsam auf. die anderen waren irgendwo auf der tanzfläche, sie hatte sie aus den augen verloren. so viel nebel, so viel licht. verwirrend. sie ging über die tanzfläche und es kam ihr vor, als würde sie einen einsamen pfad entlanggehen, inmitten der tanzenden, als wäre sie ganz allein. keiner berührte sie. ihr war es, als würde sie durch zuckende schattenrisse gehen, durch einen korridor von scherenschnitten und wehenden stoffetzen. sie schwebte mitten durch sie hindurch. bis der korridor sie zur eisentür nach draussen führte, durch sie hindurch, hinaus auf die strasse und weiter, bis sie auf einem kleinen, mondlichtübergossenen platz anhielt.

hier war sie noch nie gewesen. das dunkle rondeau des platzes glänzte metallisch im licht. ihr war ein wenig unwohl und sie atmete die kühle nachtluft tief in ihre lungen. ihre knie zitterten, als wäre sie weit gelaufen, dabei war sie nur die paar meter vom club hierhergegangen. wo war sie eigentlich? sie drehte sich einmal um ihre eigene achse, dann ein zweites mal. sie hatte die orientierung verloren. und sie wusste nicht mehr, wie lange sie wirklich gegangen war, bis sie hierher gelangt war. sie fühlte sich erschöpft,  aber eine merkwürdige euphorie war in ihr, vermischt mit einem leichten anflug von angst. dass sie nichts mehr wusste, machte ihr sorgen. dass sie keine ahnung hatte aus welcher richtung sie gekommen war. denn es gab mehrere strassen, die in den platz mündeten, viele dunkle ein- oder ausgänge, die lichtlosen höhlen glichen oder gähnenden mündern. es gab keine laternen in den strassen. nur der kleine park im zentrum des platzes war schwach beleuchtet. es war an der zeit, dass sie hierhergefunden hatte. das wusste sie genau, aber die bedeutung dieser erkenntnis war ihr verborgen. und sie ging in den park hinein, auf das bleiche licht zu, das zwischen den bäumen glänzte. sie ging auf das licht zu und weinte.

und genau das war das unlogische daran. shine konnte nämlich nicht weinen und als sie über diese tatsache nachdachte,  wachte sie auf. sie lag auf der seite, dem fenster zugewandt, und starrte direkt in den kältesten mond aller zeiten. eine korona aus bläulichem violett umgab ihn in mehreren ringen.
ein leichter windzug drang durch das geöffnete fenster neben ihrem bett und die knöchelchen und glasscherben des windspiels klapperten und klirrten leise. über nacht war schnee gefallen.....



ausschnitt aus 'spookland'