meine kleine erinnerungsstunde
das viertel, wo ich einmal gewohnt habe war ziemlich bohème, man kannte da jeden, die hübsche blumenverkäuferin, den einarmigen trafikanten samt mutter, eine winzige, dürre frau, die ihn, den fünfzigjährigen mann, immer noch wie ein kleines kind behandelte (ob ihm das nun passte oder nicht), die dicke besitzerin des gemischtwarenladens, die sich immer beim kassieren verrechnete (immer zu ihrem vorteil *lol*). man wusste, dass man bei ihr aufpassen musste. ansonsten war sie aber wirklich nett und extrem kommunikativ. man kannte auch die seltsamen getränke, die sie verkaufte, allzu gut. ich denke an das eigenartige gebräu namens rote grütze, das wir uns damals gekauft haben, weil sie es uns ganz besonders empfohlen hat. sie meinte, sie würde es so gut wie immer trinken, vor allem nach dem essen, als dessert mit einem schlagobershäubchen. nach einem schluck waren wir schon besoffen. die rote grütze war eine krude mischung aus likör und schnaps. süsslicher geschmack und scharfer abgang. sie schien es wie wasser zu trinken. auch dafür bewunderten wir sie. sie war wie alle menschen in diesem viertel etwas eigenartig.
wir waren die grufties des viertels und wurden seltsamerweise von allen so akzeptiert, wie wir eben waren. und wenn wir des nachts um die häuser schlichen, war alles halb so wild..weil es eben wir waren, und man kannte uns. es gab einen kleinen park, wo die leute bei tag manchmal gepicknickt haben. wir sassen dort oft in der nacht auf den tischen und holzbänken rum und redeten über dies und jenes. es war ein guter treffpunkt. rundherum standen diese uralten, schönen häuser, manches fenster war noch beleuchtet, aber die meisten schliefen dann schon, als wir unterwegs waren. und nachher ging's meistens auf den friedhof und dann weiter in unseren club.
dort, gegenüber vom park, war diese schule, die in einem riesengrossen alten gemäuer untergebracht war. ich ging da mal vorbei und bemerkte, dass die tür sperrangelweit offen stand, obwohl ja nach schulschluss war und die schüler alle schon weg waren. also ging ich dort mal rein und spazierte lange durch die leeren gänge und klassenzimmer. es gab dort ein naturwissenschaftliches kabinett, samt tierpräparaten und menschlichem skelett. ich hab alles betrachtet und bin dann weiterspaziert, über die treppen und durch die gänge, ganz allein, in voller gruftie-adjustierung. ich war sowieso nie ungeschminkt unterwegs. es war irgendwie wie in einem film, also wie immer. ich weiss noch, ich hab in einer klasse weisse kreide geklaut, die ich zuhause zerbröselt und in mein gesichtspuder gemischt habe, damit ich noch bleicher war. wirkte ganz gut, aber lachen durfte ich dann nicht mehr, denn das makeup kriegte risse und wurde bröckelig. hey, dein gesicht hat sprünge. an den spruch werd ich mich wahrscheinlich ewig erinnern.
es gab dort noch einen laden, der unglaublich unmoderne mode verkaufte. auch pelzmäntel im sommer. die schaufenster waren obergruselig, man konnte ewig dieselben sachen sehen. die fuchsköpfe mit den glasaugen fand ich immer schon besonders schlimm - gottseidank sieht man sie heute nicht mehr, aber in diesem laden gab es sie noch. es hing da noch ne pelzstola mit dran. ich frag mich, wer sowas im ernst um den hals hängt. der look ist sowas von staubig und mehr als morbide. vielleicht ein paar uralte omis, aber ich weiss nicht. es müssen leute sein, die irgendwie halb blind sind.
und dann gab es noch das transsylvanische café. wir haben es damals so genannt. die besitzerin war...wie könnte es anders sein...strange. eine kleine alte frau, die die unglaublichsten verschwörungstheorien hegte und die sie den gästen - meistens uns - brutal aufs auge drückte, wann immer sie uns zu fassen kriegte. wir sassen immer im hinterzimmer und das hinterzimmer war noch original fifties. die stühle waren nicht grad gemütlich, aber schön. von den tischen und stühlen bis zum aschenbecher war alles noch aus den fünfziger jahren. dort sassen wir immer rum, tranken unseren (sehr starken) kaffee, der echt genial war, bestellten manchmal dinge wie toast hawaii oder auch mal nen eisbecher (bananensplit war mein fav, weiss ich noch), und hatten ne echt gute zeit. manchmal kam die alte frau zu uns und erzählte geschichten aus ihrem leben bzw. die oben erwähnten verschwörungstheorien. dann hatte sie dieses irre funkeln im auge...wir liebten diese stories. sie waren bei weitem schlimmer als alles, was man heute in den foren hört. denke mal, sie hat sich auch manchmal einen hinter die binde gegegossen. einmal sassen wir so rum und fröhnten unserem damaligen spleen - ü-eier fressen und den inhalt verfremden. soll heissen, wir nahmen die plastikfiguren her und brannten sie mit einem feuerzeug so lange an, bis sie schmolzen. dann konnte man sie gut aufeinander kleben und riesengrosse figuren daraus bauen. dass das ganze mit der zeit irrsinnig zu stinken begann, kriegten wir gar nicht mit. wir sassen also in dichtem nebel, der nach zigaretten und geschmortem plastik stank, und bauten unsere skulpturen, die wir natürlich als kunst bezeichneten. jedenfalls kam sie mal nachschauen, was wir da betrieben, und sie stand da in der tür (wir konnten sie kaum sehen...nebel...), und dann kam der legendäre ausspruch von ihr, der uns völlig zerstörte. im ernst, wir sind unter den tisch gefallen vor lachen. sie stand also lang da, sah uns an, und dann rief sie aus: jetzt weiss ich endlich, wer ihr seid!! (wir begannen, zu brüllen). ihr seid aliens!!!!(noch mehr brüllen). und ihr kommt aus transsylvanien mit eurem ufo.(ok, das war dann der punkt, wo alle im café brüllten). ich wusste auch gar nicht, dass transsylvanien ein planet ist. aber sie wusste es und sie erzählte die geschichte dann jedem, der sie hören wollte oder nicht...dass in ihrem kleinen café aliens gelandet sind.
ich weiss nicht...lag es am rauch? er war giftig, denk ich mal. wenn man diesem rauch lange ausgesetzt ist, redet man schon seltsames zeug, das taten wir ja auch, aber bei uns war das eh die norm, das fiel auch keinem richtig auf. sie jedoch kriegte den absoluten flash und hatte wieder dieses irre funkeln im auge. war ein nettes event und seitdem hiess das café "das transsylvanische café". mh...komisch ist ja die tatsache, dass sie uns nicht als vampire bezeichnete wie so manche im viertel, sondern dass sie uns als aliens sah. vielleicht war es der geruch nach geschmolzenem plastik oder das, was wir den figuren antaten.
a propos figuren: die hingen dann im auto unter dem rückspiegel, bis irgendwann mal das ganze teil in der mitte auseinanderbrach. was nix machte, denn wir bauten ganz einfach ein neues. manfred hatte in seinem auto übrigens einen winzigen kaktus stehen, auf der ablage über dem handschuhfach. er goss ihn immer mit einer pipette und liebte ihn wirklich. es ist schön, wenn ne ganze gruppe grufties im auto rumhängt und einträchtig mein kleiner grüner kaktus singt. aber das ist ne eigene geschichte und wird sicher hier noch mal erwähnt werden....